Mordanklage gegen Paralympics-Star:Ermittler befürchtet Flucht von Pistorius

Damit hatte niemand gerechnet: Die Entscheidung, ob Oscar Pistorius weiter in Untersuchungshaft bleiben muss oder auf Kaution freigelassen wird, ist vertagt worden. Somit wird der Sportler morgen erneut vor Gericht angehört. Der leitende Polizeiermittler belastet den 26-Jährigen schwer.

Oscar Pistorius muss sich auf eine weitere Nacht in Untersuchungshaft einstellen - die Entscheidung über den Kautionsantrag seiner Anwälte ist am zweiten Anhörungstag völlig überraschend vertagt worden. Bereits am Dienstag hatte Richter Desmond Nair die Klage der Staatsanwaltschaft auf "vorsätzlichen Mord" zugelassen.

Die Staatsanwälte werfen Pistorius vor, in der Nacht zum 14. Februar seine Freundin Reeva Steenkamp getötet zu haben. Es gebe eine Zeugin, die an dem Abend einen heftigen Streit des Paars gehört habe. Den Ermittlungen der Polizei zufolge soll Pistorius Steenkamp durch die verschlossene Badezimmertür mit drei Schüssen in Kopf, Arm und Hüfte getroffen haben.

Pistorius wehrt sich gegen die Mordvorwürfe. Von Anfang an beteuerte er, seine Freundin aus Versehen erschossen zu haben, weil er sie für einen Einbrecher hielt. Am Dienstag verlas der Anwalt des Sportlers, Barry Roux, eine eidesstattliche Erklärung seines Mandanten, in der der 26-Jährige detaillierte Angaben zur Tatnacht machte (hier die Erklärung im Wortlaut).

Demnach hatte Pistorius in der Nacht zum Donnerstag ein verdächtiges Geräusch aus dem Badezimmer gehört. Aus Angst vor Einbrechern bewahre er eine "9-Millimeter-Pistole" unter seinem Bett auf. Ohne das Licht anzuschalten, sei er zum Bad gegangen. Panisch, da er seine Prothesen nicht trug. Er habe den vermeintlichen Eindringling angeschrien und geschossen. Dann sei er zurück zum Bett gegangen - wo Steenkamp nicht mehr lag. In diesem Moment sei ihm klar geworden, was passiert sein musste. Er habe die Tür aufgebrochen und seine Freundin entdeckt. Seine Versuche, sie am Leben zu halten, seien gescheitert.

Am zweiten Tag der Anhörung kamen deutliche Zweifel an dieser Version auf. Wenn Pistorius aus Angst vor Einbrechern sogar eine Pistole unter dem Bett aufbewahre, warum habe er dann die Balkontür offengelassen, fragte die Staatsanwaltschaft. Und warum habe er nicht erst nach seiner Freundin geschaut, als er einen Einbrecher im Haus vermutete?

Der leitende Polizeiermittler befürchtet, dass Pistorius flüchten könnte. Die Ermittler hätten in einen Safe des Anwesens des Sportlers Dokumente gefunden, die auf ausländische Konten und ein Ferienhaus in Italien hinweisen. Zusätzlich seien Kisten mit Testosteron und Nadelinjektionen gefunden worden.

Ob der unterschenkelamputierte Paralympics-Star zum Zeitpunkt der Tat seine Prothesen trug oder nicht, wurde ebenfalls diskutiert. Um die Umstände besser einschätzen zu können, zog der Richter eine Skizze des Pistorius-Anwesens heran. Die Schüsse seien aus einer "normalen Höhe" gekommen, berichtete der leitende Polizeiermittler Hilton Botha vor Gericht. Da der Bericht der Ballistiker noch aussteht, konnte die Frage nach den Prothesen nicht abschließend geklärt werden. (Den gesamten zweiten Verhandlungstag zur Nachlese im News-Blog finden Sie hier.)

Die meisten Fragen, die bei der Anhörung an diesem Dienstag und Mittwoch gestellt wurden, werden auch im Mordprozess gegen Oscar Pistorius eine wichtige Rolle spielen wird. Wann dieser starten soll, ist noch nicht bekannt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: