Mord an MI6-Agent noch immer ungeklärt:Der Tote aus der Tasche

Vor zwei Jahren wird die Leiche des MI6-Agenten Gareth Williams in einer Sporttasche gefunden. Und noch immer ist nicht geklärt wie der Geheimdienstler starb, geschweige denn, wie die Leiche in die Tasche kam. Erst ausdauernde Selbstversuche zweier Spezialisten konnten das Rätsel teilweise lösen.

Christian Zaschke, London

400 Mal hatten zwei Experten im Zuge der Ermittlungen versucht, sich in eine Reisetasche zu falten und diese von außen mit einem Vorhängeschloss zu sichern. Die Männer waren sehr beweglich, sie schafften es tatsächlich in die Tasche, doch es gelang ihnen nicht ein einziges Mal, das Schloss zu schließen.

Mord an MI6-Agent noch immer ungeklärt: Um herauszufinden, ob Williams vor seinem Tod selbst in eine Tasche stieg, ließ die britische Polizei einen Spezialisten antreten. Das Ergebnis: Es wäre möglich.

Um herauszufinden, ob Williams vor seinem Tod selbst in eine Tasche stieg, ließ die britische Polizei einen Spezialisten antreten. Das Ergebnis: Es wäre möglich.

(Foto: PA)

Aber die Leiche des Agenten Gareth Williams war 2010 nackt in einer Tasche gefunden worden, die von außen mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Konnte er das - wie es zunächst hieß - tatsächlich allein bewerkstelligt haben? Es ist ein äußerst rätselhafter Todesfall, und die Untersuchungsrichterin Fiona Wilcox sagte in dieser Woche, er werde wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Gareth Williams war 31 Jahre alt, als er starb. Er arbeitete für den britischen Geheimdienst MI6. Es liegt nahe, einen Zusammenhang zwischen seiner Arbeit und seinem ungewöhnlichen Tod zu vermuten. Doch MI6 sagt, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass eine weitere Person an Williams' Tod beteiligt war.

Die vielleicht drängendste Frage ist: Warum hat es acht Tage gedauert, bis man beim MI6 gemerkt hat, dass Williams nicht mehr zur Arbeit kam? Beziehungsweise: Warum hat es so lange gedauert, bis sich jemand auf die Suche begab? In Williams' Londoner Wohnung lief die Heizung, als er gefunden wurde, obwohl es ein warmer Sommer war. Die Hitze führte dazu, dass der in der Tasche eingeschlossene Körper bereits deutliche Zeichen von Verwesung zeigte, als man ihn fand. Für die Gerichtsmedizin war es deshalb nicht möglich, die Todesursache eindeutig festzustellen.

Williams - ein Tüftler wie Q aus den James-Bond-Filmen?

Gareth Williams war ein brillanter Logiker. Er schloss sein Studium der Mathematik mit 17 ab, als 21-Jähriger war er Doktor der Computerwissenschaft. Zunächst schloss er sich GCHQ an, einer Regierungsbehörde, die sich vor allem mit Kryptographie beschäftigt. Zuletzt arbeitete er für den MI6, wo er sich mit "praktischen Anwendungen neuester Technologien" beschäftigte.

Was immer das heißt: Es klingt nach der Arbeit des Tüftlers Q aus den James-Bond-Filmen, der den Agenten stets mit neuestem Schnickschnack versorgt. Woran Williams ganz genau arbeitete, bleibt geheim.

21 Monate lang hat die Polizei ermittelt, ohne entscheidend weitergekommen zu sein. Untersuchungsrichterin Wilcox kritisierte die Polizei und den Geheimdienst für die ergebnislose Arbeit. Sie sagte, dass sie nach dem gesammelten Erkenntnissen sicher sei, dass Williams sich nicht selbst in der Tasche eingeschlossen habe. Auch glaube sie nach Ansicht allen Materials nicht an ein sexuelles Spiel, das fürchterlich schiefgelaufen sein könnte. Fiona Wilcox sagte, sie sei sicher, dass ein Verbrechen verübt wurde.

Zu den vielen Fragen, die den Fall umgeben, gehört die nach den Frauenkleidern: Warum lagerte Williams hochwertige Damenmode im Wert von 20.000 Pfund in seinem Schrank? Warum besaß er 26 Paar Frauenschuhe?

Die naheliegende Vermutung, dass Williams ein Crossdresser war, wies die Richterin zurück - dieser Vorwurf solle lediglich vom Thema ablenken. Freunde vermuteten, Williams könnte die Kleidung "als Geschenk" bereitgehalten haben. Er habe sich sehr für Mode interessiert und sei sehr großzügig gewesen. Fraglich ist auch, inwieweit Williams an Fesselspielen interessiert war.

Ein mysteriöser Fall ohne Täter und ohne Motive

Sehr sporadisch habe er Bondage-Seiten im Internet besucht. Vor drei Jahren rief er die Vermieter seiner damaligen Wohnung zur Hilfe, weil er mit den Händen ans Bett gefesselt war. Er erklärte, er habe probieren wollen, ob er sich befreien könne. Die Vermieter sagten, sie hätten eher den Eindruck gehabt, es habe sich um ein sexuelles Spiel gehandelt. Allerdings hatte sich Williams damals erstmals beim MI6 beworben, es ist also denkbar, das er tatsächlich trainierte. Wilcox sagte: "Gareth war nackt in einer Tasche, er hatte keine Frauenkleider an und keine High Heels." Nach ihrer Ansicht könnten die Gerüchte um Bondage und Crossdressing Versuche Dritter sein, die Beweise zu manipulieren. In jedem Fall machen sie den Fall mysteriöser.

Das iPhone von Williams gibt keine Aufschlüsse, weil es kurz vor dem Tod des Agenten auf Werkseinstellungen zurückgesetzt wurde. Dass keine Fingerabdrücke oder brauchbare DNA-Spuren in der Wohnung gefunden wurden, führt Williams' Familie auf Geheimdienstler zurück, die "dunkle Künste" angewandt hätten. Doch welche Geheimdienstler? Welche Künste? Und wo ist das Motiv?

Hoffnung gibt den Ermittlern ein grünes Handtuch. Die Polizei glaubt, dass es ursprünglich im Bad lag, von einer möglichen "dritten Partei" jedoch in die Küche gebracht wurde. Vielleicht enthält es die eine Spur, die Licht bringt in den seltsamen Tod von Gareth Williams.

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