Misswahlen:Deutschlands heimliche Schönheiten

Sie sind bürgernah, zupackend und bodenständig: Die Königinnen der Provinz. Eine Auswahl.

Von Friederike Zoe Grasshoff und Martin Wittmann

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Braunviehkönigin

Braunviehkönigin Baden-Württemberg

Quelle: Josef Berchtold

Bianca Traut, Bad Waldsee, Baden-Württemberg - Wer auf dem Waldseer Braunviehtag Königin werden will, sollte laut Veranstalter von einem landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb kommen und Grundkenntnisse in der Rinderhaltung mitbringen. Eine "Jury aus Zuchtleiter, Jungzüchtervorstand und Rasseausschuss-Vorsitzendem" trifft eine Vorauswahl, Besucher und Aussteller der Tierschau entscheiden final.

Die 23-jährige Bianca Traut ist Elektronikerin, ihre Familie hat im Allgäu einen Zuchtbetrieb. Die erste Amtshandlung: Übergabe des Siegerpreises für die Grand Champion Kuh. Das Salär der Königin: ein Dirndl und Entschädigung für Dienstfahrten. Trotzdem alles gut? Bianca Traut sagt: "Der Rest ist Gottes Lohn."

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Weißwurstkönigin

Weißwurstkönigin

Quelle: Marco Felgenhauer

Christin Herrmann, Bodenmais, Bayern - Nach einem Jahr als Weißwurstkönigin hat es sich ausgezuzelt. So musste Steffi I. das Weißwurst-Zepter im September schon wieder weiterreichen, nach zwölf ereignisreichen Monaten. Es überrasche daher wenig, dass sie in ihrer Abschlussrede "den Tränen nahe war", wie es auf der Homepage des Königshauses heißt.

Die Wahl zu ihrer Nachfolgerin gewann schließlich die 24 Jahre alte Christin Herrmann. Die Jury (ohne die erkrankte Autorin Rita Falk) hatte sie "mit ihrem sympathischen Auftreten, der Kreativität beim Gstanzl-Singen sowie ihrem Wissen über das Fleischerhandwerk überzeugen" können.

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Bierkönigin

Bierkönigin Wuppertal

Quelle: privat

Lara Niederheide, Wuppertal, Nordrhein-Westfalen - Seit zehn Jahren kürt das Wuppertaler Brauhaus eine Bierkönigin, pünktlich zum Tag des Deutschen Bieres am 23. April. Derzeit hat die 24-jährige Lara Niederheide, nebenberuflich Studentin der Bautechnik und hauptberuflich Bauzeichnerin, das Amt inne.

Sie hat sich beim Casting durchgesetzt, bei dem die Kür tatsächlich eine Kür ist: Geschicklichkeitslauf mit sechs Maßkrügen in jeder Hand, Blindverkostung, alles vor Publikum. Nach dem Titel kommen die eigentlichen Pflichten: Anstichfeste, Oktoberfest in Wuppertal, Schunkeln auf dem Karnevalswagen. Eine Volksvertreterin der Spaßgesellschaft.

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Rhododendronkönigin

Rhododendronkönigin Graal-Müritz 2015 Charline Völkel

Quelle: PR

Charline Völkel, Graal-Müritz, Mecklenburg-Vorpommern - Nein, in diesem 4000-Einwohner-Seeheilbad muss niemand alberne Tests durchlaufen, es geht förmlich zu. Die Königin muss Auszubildende der örtlichen Kurverwaltung sein, sie wird demokratisch in einem Ausschuss gewählt.

Das Portfolio: rhetorische Begabung, Offenheit und botanische Kenntnisse. Die amtierende Königin Charline Völkel, 21, vertritt Graal-Müritz auf Messen und Rapsblütenfesten, zudem führt sie die Gäste durch den Rohododendronpark. Sie sagt: "Das macht mir sehr viel Spaß." Einen Extralohn gibt es nicht, nur das Ausbildungssalär.

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Nadelprinzessin

4. Thüringer Nadelprinzessin Anja I.

Quelle: PR

Anja Fabricius, Ichtershausen, Thüringen - 1862 wurde in Ichtershausen eine Nadelfabrik aufgebaut, 147 Jahre später wurde im Ort die erste Nadelprinzessin gekürt. Ohne Bürokratie geht es bei den Bewerbungen um diesen Titel nicht. Die amtierende Nadelprinzessin Anja I., 37, ist nicht auf einem Volksfest gekrönt worden, sie hat sich ordentlich beworben, mit Motivationsschreiben und Vorstellungsgespräch beim Vorstand des örtlichen Kulturvereins.

Im Durchschnitt gehen sieben Bewerbungen pro Krönung ein. Aber wer wäre besser geeignet als sie? Anja Fabricius' Mann ist ebenfalls in der Nadelindustrie tätig. Ihr Highlight? Das Treffen mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Ziele für 2016? "Noch mehr von Thüringen kennenlernen."

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Kartoffelkönigin

Kartoffelkönigin von Fallersleben

Quelle: Wolfsburg Marketing Gesellschaft/Sahnefoto

Alessa Romani, Fallersleben, Niedersachsen - Gleich der erste Termin führte die Kartoffelkönigin zum festkochenden Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), später war sie auch noch beim eher mehligen Stefan Mross im TV zu Gast. Seit März wirkt Alessa Romani als Regentin, den Thron bestieg sie mit zarten 16 (aber Ludwig der II. war bei seiner Krönung auch erst 18).

Ihre Vorgängerin hatte ihr das Amt damals vorzeitig überlassen, weil ihr die Doppelbelastung als Königin der Knollen und als Vorsitzende des örtlichen Heimat- und Verkehrsvereins zu viel wurde. Mit großer Macht kommt (zu) große Verantwortung. Siehe Ludwig II.

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Kohlregentinnen

Kohlregentin

Quelle: PR

Maren Glatter und Silke Nöhren, Dithmarschen, Schleswig-Holstein - "Kohls Mädchen" ist im vorliegenden Fall im Plural zu verstehen: "Kohlregentinnen sind immer für zwei Jahre im Ehrenamt", heißt es beim Tourismusverein Dithmarschen. Immer im Wechsel, damit die eine die andere anlernen könne. Maren I., im bürgerlichen Leben Hauswirtschafterin, und Silke I., Bilanzbuchhalterin, sind beide 28 und vertreten Europas größtes zusammenhängendes Anbaugebiet.

Die allmächtige Maren I. versteht es dabei sogar, die Grenzen von Zeit und Raum verschwimmen zu lassen: "Die Kohltage gehören zu Dithmarschen wie die Nordsee, die direkt vor unserer Haustür liegt, sagt sie.

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Nussknackerkönigin

Nussknackerkönigin und -prinzessin

Quelle: PR

Christin Kopitzke, Neuhausen, Sachsen - Bereits als Prinzessin konnte Christin an der Seite von Nussknackerkönigin Chantal die royale Höhenluft des Erzgebirges schnuppern, seit Sommer ist sie selbst Regentin und damit "für die kommenden zwei Jahre die oberste Herrscherin im Reich", wie es auf der entsprechenden Website heißt.

Seit 2005 wird auf dem jährlichen Fest des Nussknackermuseums in Neuhausen eine Herrscherin gewählt, angetreten waren die Anwärterinnen etwa mit dem Singen von Tina-Turner-Liedern. Ob die Siegerin mit "The Best" oder doch mit "Nutbush City Limits" gewann, ist nicht bekannt.

© SZ vom 19.12.2015
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