Miss-Atom 2009:"Ich lebe energiegeladen"

Pünktlich zum Weltfrauentag kürt Russland seine "Miss Atom" - und hofft, damit den Ruf der ins Kreuzfeuer geratenen Kraftwerks-Branche etwas aufzuhübschen.

In Russlands üppiger Natur posieren die Schönheiten des Landes gern am Wolga-Strand, in den Wäldern Sibiriens oder an der Schwarzmeerküste. Die blonde Mascha Poschtarenko (23) hat dagegen als Kulisse ihre Arbeitsstelle gewählt - ein Atomkraftwerk im Gebiet Twer bei Moskau. Die Computerspezialistin stellt ihren Charme bei einer landesweiten Wahl zur Miss Atom in den Dienst der Branche. Weil die Atomindustrie auch 23 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl nicht den besten Ruf hat, sollen liebreizende Kolleginnen wie Mascha dringend benötigte Spezialisten anlocken.

Miss Atom, dpa

Die frühere Bewerberin Aljona Kirssanowa vor dem Mega-Meiler Nowoworonesch: Den Sieg beim russischen Miss-Atom-Wettbewerb 2009 holte jedoch eine andere Schönheit.

(Foto: Foto: dpa)

Rechtzeitig zum Internationalen Frauentag am Sonntag verkündete die nationale Atomholding Rosatom auf ihrer Website nun die Siegerin der Miss-Wahl: Jekaterina Bulgakowa, eine 25-jährige Angestellte eines Forschungsreaktors an der Wolga, hatte mit ihrem branchenkompatiblen Lebensmotto ("Ich lebe energiegeladen") und ihren Maßen (95-69-97) geworben. Als Geschenk darf sie nun für eine Woche die Energiewirtschaft in der Provinzstadt Dimitrowgrad gegen die Kraft der Sonne auf Kuba eintauschen.

Die Organisatoren der bereits zum sechsten Mal durchgeführten Miss-Atom-Wahl werten die große Resonanz in den Medien als Erfolg. Seit der Katastrophe von Tschernobyl geisterten "so viele falsche Vorstellungen über unsere Branche" in den Köpfen der Mitbürger herum, sagt Ilja Platonow. "Der Wettbewerb zeigt doch, dass hier ganz normale Leute und sogar ziemlich hübsche Mädchen arbeiten." Doch auch ohne die AKW-Schönheiten stehen die Russen mehrheitlich hinter der Kernkraft.

Ressource Sex-Appeal

Die 22-jährige Aljona Kirssanowa trieb das Motto "Atomkraft macht sexy" bei einer früheren Wahl auf die Spitze. Wie das Bond-Girl Halle Berry in "Stirb an einem anderen Tag" scheint die braungebrannte Russin auf ihrem Bewerbungsfoto im knappen Bikini aus den Fluten zu steigen. Hinter ihr ist allerdings der Kühlteich des Mega-Meilers von Nowoworonesch mit seinen gleich sieben Kühltürmen als Silhouette zu sehen. Im Internet schrieb ein Blogger dazu, sein Nachttischlämpchen brenne täglich zehn Minuten länger, um den Arbeitsplatz der Mädels zu sichern.

Längst greifen in Russland auch andere Branchen mit massiven Imageproblemen, hervorgerufen durch miese Löhne, harte Arbeit oder abgelegene Produktionsstätten, auf die Ressource Sex-Appeal zurück. So gibt es mittlerweile eine Miss Bikini der Metallindustrie und einen Wettbewerb für die Schönste im Wärmekraftwerk. Zudem sucht das Riesenreich alljährlich die berückendste Eisenbahnfahrkarten-Verkäuferin und die betörendste Postlerin. Wer diese Konkurrenz besteht, darf sich Hoffnung auf höhere Ehren machen - wie vor einigen Jahren die Zweitplatzierte beim Wettbewerb "Miss Öl und Gas" in der westsibirischen Stadt Tjumen. Jene Xenia Suchinowa heimste 2008 in Johannesburg den Titel Miss World ein.

Selbst die russischen Streitkräfte können da nicht zurückstehen und lassen die schönsten Offiziersanwärterinnen um den Ehrentitel "Roter Stern" antreten. Eine langbeinige Polizei-Offizierin aus St. Petersburg brachte es 2002 immerhin zur Miss Universum. Oxana Fjodorowa wurde nach dem Sieg auf Puerto Rico daheim postwendend zum Major befördert. Die schöne Oxana wisse nicht nur mit ihren Reizen zu überzeugen, sagte damals ihr Vorgesetzter. Sie könne sogar eine Sturmgewehr vom Typ Kalaschnikow zusammenbauen, "ohne sich die gepflegten Fingernägel zu ruinieren".

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