Millionenspende an Partei:Herr May und der üble Duft des Geldes

Ein Privatmann hat der Marxistisch-Leninistischen Partei sein Vermögen gespendet - jetzt ist er damit beschäftigt, sich dafür zu rechtfertigen.

Jörg Heims

Es hat ein paar Tage gedauert, bis Michael May aus seiner Deckung kommt. Plötzlich ist seine Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören. "Hier ist May. Sie wollten mich sprechen." Die erste Begegnung mit dem 57-Jährigen liegt schon einige Monate zurück.

Marx-Relief in Leipzig, dpa

Ein Goldregen für den Traum vom Sozialismus? (Das mittlerweile abgebaute "Marx-Relief" der Leipziger Universität.)

(Foto: Foto: dpa)

Damals, an einem Januartag, hatte May ein Kulturzentrum in Duisburg als Treffpunkt gewählt. Eigentlich wohnt er in einer Bergarbeitersiedlung in Moers am Niederrhein. Aber nach Hause lädt May keine Journalisten ein und auch seine Telefonnummer bleibt geheim.

Die Telefonnummer bleibt geheim

Um sich mit May zu verabreden, ruft man am besten bei der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) in Gelsenkirchen an. Die Genossen fungieren als Schutzschild für ihren inzwischen prominentesten Sympathisanten.

Angefangen hat alles mit dem Tod von Michael Mays Mutter vor zwei Jahren. Sie hinterließ dem Sohn ein Millionen-Erbe: Aktien, Wertpapiere und Immobilien.

Ein unbeschwertes Leben hätte May führen können, durch die Welt reisen, Autos und Häuser kaufen. Aber May hat sich nichts gegönnt. Sein Handy ist ein billiges Modell, das es in den Telefonshops längst nicht mehr zu kaufen gibt.

Zweieinhalb Millionen an die Partei

May hat den Nachlass schrittweise verkauft und den Erlös an die MLPD überwiesen. Zuletzt gingen im Juni 500000 Euro aus dem Verkauf eines Gebäudes in Düsseldorf auf dem Parteikonto ein.

Insgesamt hat May der MLPD bereits 2,5 Millionen Euro vermacht. Ob die Geldquelle weiter sprudeln wird, lässt er offen. "Weiß ich noch nicht", sagt Michael May.

So großzügig ist keine andere Partei in den letzten Jahren von einem Einzelspender bedacht worden. Es ist dies nicht der erste Fall, in dem jemand auf sein Erbe wegen politischer, sozialer oder religiöser Überzeugungen verzichtet.

Der Bankierssohn und spätere Grünen-Politiker Tom Koenigs etwa schenkte den nordvietnamesischen Kommunisten 1973 sein geerbtes Vermögen. Die Freiheit Vietnams sei ihm wichtiger als Geld gewesen, sagte Koenigs vor zwei Jahren.

Selbst nach so langer Zeit bereute er die Schenkung nicht, obwohl er bis heute nicht weiß, was die Kommunisten mit seiner großzügigen Zuwendung gemacht haben.

Wie Koenigs stammt auch Michael May aus einem wohlhabenden Elternhaus. Der Vater war Architekt, der Sohn sollte das auch werden, wurde aber schließlich Bergmann.

Der Vietnamkrieg und die Notstandsgesetze waren im Leben des Kumpels May prägende politische Ereignisse, ebenso später die Massenproteste gegen den Niedergang von Kohle und Stahl an Rhein und Ruhr. Viele aus seiner Generation wurden in jenen Jahren politisiert und gebärdeten sich als linke Straßenkämpfer, bevor sie in der bürgerlichen Normalität landeten.

Michael May blieb jedoch am äußersten linken Rand und verteilt nun an die Genossen sein Vermögen.

Der Klang des Gestern

Er lacht, wenn man ihn nach dem Motiv für sein spendables Verhalten fragt. Er hat die Frage erwartet. Auch vor zwei Wochen, als er in die Talkshow von Sabine Christiansen eingeladen war, wurde ihm diese Frage gestellt.

"Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, warum es mir besser gehen soll als anderen, ich lebe von dem, was ich mit meiner Arbeit verdient habe", sagte er von einem Zuschauerplatz aus. Die Leute im Studio haben geklatscht.

Etwa 2000 Euro Rente bezieht der Bergmann im Vorruhestand. Das sei im Vergleich zu dem, was andere Menschen im Alter ausgeben können, viel Geld, sagte er. "Mein Erbe, mein Vermögen, meine Verantwortung", hieß der Titel der Ttalkshow, in der Runde diskutierten unter anderem Oskar Lafontaine und Hedgefonds-Manager Florian Homm.

Herr May und der üble Duft des Geldes

Hätte May sein Vermögen an das Rote Kreuz, das Kinderhilfswerk Unicef, die Kirche oder eine karitative Einrichtung gespendet, wäre das wohl öffentlich kaum wahrgenommen worden. Es wäre eine gute Tat für eine richtige Sache gewesen.

Michael May, Foto: Robert Haas

"Es leuchtet mir nicht ein, dass es mir besser gehen soll als anderen." Michael May in der Talkshow Sabine Christiansen.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Aber wer an die MLPD spendet, muss sich rechtfertigen. Marxistisch-Leninistisch, das klingt nach Gestern, nach DDR und grimmig drein schauenden Volkspolizisten. May sagt, seit seine Spenden öffentlich geworden seien, höre er gelegentlich, so bekloppt könne doch keiner sein, ausgerechnet die MLPD.

Die Partei zählt zum Kreis der linksextremistischen Gruppierungen und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. May unterstützt also mutmaßliche Staatsfeinde und ist damit womöglich selbst einer.

Mitglied oder nicht?

Aber May wirkt nicht wie ein Umstürzler, wie einer, der mit dem Megaphon auf Barrikaden klettert und zum Sturz der bestehenden Ordnung aufruft. May ist schwer zu fassen.

Das fängt schon damit an, dass er nicht sagen will, ob er Mitglied der MLPD ist oder nicht. Er würde sonst seinen Rausschmiss aus der Gewerkschaft riskieren, sagt er. Denn der DGB duldet keine Linksextremisten in seinen Reihen.

Der Einfluss der MLPD reicht bisher nicht weit in die Arbeiterschaft. Gerade mal 46.000 Stimmen erhielt die Partei bei der letzten Bundestagswahl. Parteichef Stefan Engel sah in dem Ergebnis dennoch den Beleg für eine "regelrechte Erosion der Massenbasis der Diktatur der Monopole".

Ein Haufen Spinner also diese MLPD-Leute, in deren Gehirnen ein Gebräu aus Mao, Marx und Lenin zu absurden Vorstellungen gemixt wird? "Das sind ganz normal denkende und gebildete Menschen", sagt May über die schätzungsweise 2000 Mitglieder.

Er selbst ist belesen und vielseitig interessiert. Gerade hat er eine Biografie über den Maler Rembrandt gelesen. Er will sich die Guggenheim-Ausstellung in Bonn anschauen. Wüsste man nichts über seinen politischen Hintergrund, man würde den Mann mit der randlosen Brille für einen Bildungsbürger halten, der sich wie andere Gedanken über die Zukunft der Erde macht.

Mit Lafontaine unterhalten

Aber dieses Nachdenken endet bei May in einem Land, in dem man den Reichen alles wegnehmen muss, damit es allen Menschen gleich gut gehe. "Immer mehr Menschen sehen doch, dass es so nicht weitergehen kann und wir eine gesellschaftliche Alternative brauchen", sagt er.

Michael May will eine andere Ordnung, nicht den Sozialismus wie einst in der DDR. "Da haben die Parteifunktionäre nur Zitate dogmatisch gekloppt, sonst nichts", sagt er. Auch die Linkspartei hält er für "zu schwach auf der Brust", wenn es um grundlegende Veränderungen geht.

Mit Lafontaine habe er sich nach der Fernsehsendung ein bisschen unterhalten. Das sei sachlich und korrekt gewesen. Doch weitergehende Annäherungen der MLPD, gar Koalitionen mit der Linkspartei lehne er ab, sagt May, der jetzt so klingt, als sei er doch Parteimitglied.

In Berlin habe die PDS in der Koalition mit der SPD schließlich höhere Kindergartenbeiträge beschlossen, sagt er. Das gehe natürlich nicht an. Grundlegend müsse sich etwas ändern. "Ansonsten ändert sich gar nichts."

Dann erzählt Michael May von einem Freund in Zaire. Weshalb er sein Geld nicht dort für den Bau einer Schule oder Klinik eingesetzt habe? Was habe sich denn durch das viele Geld der Europäer in Afrika geändert? "Alles liegt am Boden, selbst das Krankenhaus von Albert Schweitzer", sagt er. Deshalb halte er die Vorstellungen der MLPD vom "echten Sozialismus" für richtig.

Jubel im Parteiblatt

Bei der MLPD sind sie natürlich mächtig froh, so einen wie May zu haben, der nun sogar vor einem Millionen-Publikum im Fernsehen für die Partei werben kann.

"Toll!", jubelte man im Parteiblatt Rote Fahne bereits im vergangenen Jahr, nachdem die erste Spende eingegangen war. Man sei begeistert und stolz auf den Freund. Michael May hat an die Verwendung der Spendengelder keine Bedingungen geknüpft.

Parteisprecher Jörg Weidemann sagt, das Geld fließe in die Bildungsarbeit und den Aufbau neuer Strukturen in Ostdeutschland. Auch die kleinen Trupps von Montagsdemonstranten sollen unterstützt werden, damit diese im September an einem Sternmarsch nach Berlin teilnehmen können.

"Haben Sie die jüngsten Umfragen gesehen?", fragt May. Noch nie sei eine Regierung in so kurzer Zeit bei den Wählern unten durch gewesen, sagt er mit einer Euphorie in der Stimme, als stehe der große Knall kurz bevor.

Und dann erzählt Michael May noch, dass ihn die Schriften von Giordano Bruno fasziniert hätten. Der italienische Philosoph hatte es im Mittelalter gewagt, die Allgewalt der Kirche anzuzweifeln und wurde deshalb auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Ob er sich auch für seine Überzeugungen verbrennen lassen würde? May lächelt. "Nein, soweit wird es nicht kommen", sagt er.

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