Militärübung neben der Autobahn:Tödliche Vernebelung

Was wie ein normaler Nebelunfall ausgesehen hat, wächst sich nun zu einem Skandal aus: Eine Übung des österreichischen Bundesheeres war wohl Ursache für einen tödlichen Unfall.

Michael Frank, Wien

Eine überraschend über der Autobahn liegende Nebelbank - Autofahrer fürchten sich zu Recht davor. Wird ein Hintermann draufknallen, wenn man scharf bremst und im Unsichtbaren zum Stehen kommt? Auf der Autobahn bei Korneuburg nördlich von Wien ist genau das geschehen: Im Nebel kollidieren sieben Kraftwagen, eine Frau stirbt, sieben Personen werden verletzt.

Militärübung neben der Autobahn: Der Nebel auf diesem Bild ist natürlichen Ursprungs.

Der Nebel auf diesem Bild ist natürlichen Ursprungs.

(Foto: Foto: dpa)

Doch was wie einer dieser immer wieder auftretenden Nebelunfälle aussieht, wächst sich nun zu einem Skandal aus: Aller Wahrscheinlichkeit nach war eine Nebelübung des österreichischen Bundesheeres direkt neben der A22, der Donauuferautobahn, die Ursache für die Karambolagen.

Augenzeugen erklären, die Nebelbank, in die man da unverhofft geraten war, sei nicht weiß, sondern schwarz gewesen: eine undurchdringliche Dunstschicht aus schwarzem Rauch. Urheber des unnatürlichen Phänomens soll die beim österreichischen Militär gebräuchliche Nebelgranate NC-NbHG 75 gewesen sein.

Auf einem direkt neben der Schnellstraße gelegenen Gelände, etwa 260 Meter entfernt von der Fahrbahn, absolvierten Rekruten eine Nebelübung. Die undurchdringliche Atmosphäre dafür sollte die Rauchmunition erzeugen. Das gelang offenbar so wirkungsvoll, dass die Kraftfahrzeuge nebenan ineinanderkrachten und eine junge Tschechin zu Tode kam. Sie wurde am Steuer eingeklemmt und verbrannte.

Zögern der Vorgesetzten

Öffentlich wurde die Sache erst durch skandalöse Begleiterscheinungen, die den österreichischen Verteidigungsminister Nobert Darabos (SPÖ) dazu veranlasst haben, die Aufklärung des Falles zur Chefsache zu machen: Soldaten der Van-Swieten-Kaserne in Wien-Stammersdorf hatten Journalisten berichtet, sie hätten während der Übung die Großkarambolage gehört. Als sie zu Hilfe eilen wollten, seien sie daran gehindert worden. Dabei hätten sie auf Befehl eines Vorgesetzten gehandelt, der ihnen auch verboten habe, diesen Vorfall weiterzuerzählen.

Ein Drittel der Soldaten gab später zu Protokoll, man habe sich buchstäblich eingeschüchtert gefühlt. Das österreichische Bundesheer setzte daraufhin eine interne Untersuchungskommission ein, die rasch abwiegelte: Es sei ungeklärt, ob die Munition Ursache der Sichtbehinderung gewesen sei. Die Rekruten seien allein zu ihrem eigenen Schutz daran gehindert worden, auf die vernebelte Autobahn zu laufen.

Im Übrigen seien die Rekruten alles Neulinge gewesen, die noch keine ausreichende Qualifikation für sachgerechte Hilfeleistung gehabt hätten. Außerdem habe sich ein Kundschafter des Bundesheeres davon überzeugt, dass zivile Rettungsfahrzeuge bereits zum Unfallort geeilt seien.

Auch die parlamentarische Beschwerdekommission für das Bundesheer interessiert sich nun für die Sache. Es wurde nämlich bekannt, dass die übenden Soldaten ausgerechnet einem Sanitätszug angehören und - obwohl erst zwei Wochen im Dienst - wenige Stunden zuvor eine ausgiebige Hilfsübung durchgeführt hätten.

Außerdem seien zwei ausgebildete Sanitäter und ein Soldat mit abgeschlossenem Medizinstudium dabei gewesen - auch ihnen sei die Hilfeleistung verboten worden. Durch das Zögern der Vorgesetzten seien mindestens zehn Minuten vergangen, die vielleicht das Leben der Tschechin hätten retten können.

Der Staatsanwalt ermittelt

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt die Sache in die Hand genommen und schon nach erstem Augenschein erklärt, Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung würden in diesem Fall unvermeidlich sein.

Das Bundesheer leitete inzwischen ein Disziplinarverfahren gegen einen "Ausbildungsverantwortlichen" ein. Ganz allgemein seien Übungsvorschriften missachtet und die Nebelmunition zu nah an der Autobahn gezündet worden, heißt es. Vorgeschrieben ist, dass solche Granaten nicht näher als 300 Meter an sensiblen Objekten wie Gebäuden und Verkehrswegen eingesetzt werden dürfen.

Dass die Soldaten ohne Schutzwesten nicht auf die Fahrbahn gelassen worden seien, wird hingegen als umsichtige Schutzmaßnahme gewertet. Österreichische Militärexperten verlangen nun, das Heer müsse grundsätzlich derlei Übungen in der Nähe von Verkehrswegen verbieten. Der militärische Übungsplatz bei Korneuburg wurde vorerst geschlossen.

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