Meeresfund:Eine Legende taucht auf

Vor Panama liegt ein U-Boot, das Jules Verne zu seiner "Nautilus" in dem Roman "20 000 Meilen unter dem Meer" inspiriert haben soll.

Von Philip Wolff

Ein abgelegenes Eiland vor der Pazifikküste Panamas, eine winzige Bucht und darin ein verwunschenes Wrack: Die Geschichte beflügelt zurzeit die Phantasie der Forscher.

Schon seit Jahrzehnten hatten Ausflügler, die dort Vögel beobachteten, bei Ebbe ein gestrandetes U-Boot aus dem Wasser ragen sehen.

Ein japanisches Kriegsschiff, wurde gemeinhin vermutet - bis vor etwa einem Jahr der Kanadier James Delgado, Direktor des Maritim Museum in Vancouver, das Wrack erkannte und darüber die Beobachtung der Vögel vergaß: Es musste die legendäre Explorer des ausgewanderten deutschen Konstrukteurs Julius Kröhl sein.

Vorlage für Jules Verne

Jenes U-Boot, das Jules Verne als Vorlage zu seinem Roman "20.000 Meilen unter dem Meer" und seiner fiktiven Nautilus gedient haben soll, glaubt Delgado.

1864 hatte Kröhl das Boot den Nordstaaten der USA im Sezessionskrieg angeboten. Nun hat ein britisches Team das Wrack in Delgados Auftrag erforscht - und die historischen Vermutungen bestätigt.

"Wir fanden ein für die damalige Zeit technisch außergewöhnliches U-Boot mit einer Schleuse, durch die man es unter Wasser verlassen konnte", berichtet John Blashford-Snell von der britischen Scientific Exploration Society.

Handkurbelwelle statt Motor

"Das Schiff ist aus Gusseisen und noch weit gehend erhalten. Es wurde offenbar über eine Handkurbelwelle angetrieben." Bereits 1902, als das Journal of the American Society of Naval Engineers eine genaue Konstruktionsbeschreibung der Explorer veröffentlichte, schien das U-Boot des Wahl-New-Yorkers Kröhl nur noch auf dem Papier zu existieren.

Der aktenkundige Delgado erkannte es sofort. "Kein Schiff dieser Zeit verfügte über Ausstiegsschleusen", sagt er. Und keines habe mit seiner Zigarrenform so sehr an Jules Vernes Nautilus erinnert. "Eher einem modernen Atom-U-Boot als einer 140 Jahre alten Konstruktion" gleiche die Explorer.

Eine Legende taucht auf

Dennoch, so ist in diversen Dokumenten überliefert, wurde Kröhls Konstruktion im Sezessionskrieg nicht in hohen Stückzahlen gefertigt. Sie diente vermutlich nur in wenigen Einsätzen dazu, Unterwasserminen zu legen - wurde dann aber sehr bald von Perlentauchern allein für zivile Zwecke genutzt.

Der Grund war offenbar, dass die Drucksysteme der Explorer nicht ausgereift waren - ein Umstand, der Kröhl und Kollegen sogar das Leben gekostet haben soll: Sie starben vermutlich an der so genannten Dekompressions-Krankheit.

Kein Schutz vor Dekompressionskrankheit

Unter hohem Druck nämlich löst sich im Körpergewebe sehr viel Stickstoff, der beim Aufstieg zur Wasseroberfläche überschüssig im Körper bleibt und ausperlt. "Es wird berichtet, die achtköpfige Mannschaft habe über Grippe-Symptome geklagt", berichtet Blashford-Snell. 1869 ließ man die herrenlose Explorer einfach vor der Küste Panamas im Wasser liegen.

Die technischen Verdienste Kröhls aber werden durch dieses unglückliche Ende kaum geschmälert. Denn die Taucherkrankheit war in den 1860er-Jahren noch nicht bekannt. Vielmehr seien es bis ins 20. Jahrhundert hinein fehlende Ausstiegsmöglichkeiten gewesen, die mancher U-Boot-Besatzung zum Verhängnis wurden, berichtet Jürgen Rohweder von ThyssenKrupp Marine Systems.

Einzigartiges Schleusensystem

Kein U-Boot verfügte über eine Schleuse wie die Explorer: einen Behälter, der Menschen unter Wasser aussetzen und sie dort auch wieder aufnehmen konnte, indem er mit Druckluft leergepumpt wurde. Der erste erfolgreiche deutsche U-Boot-Konstrukteur Wilhelm Bauer musste 1851 bei einer missglückten Tauchfahrt im Kieler Hafen noch warten, bis sein Boot voll Wasser gelaufen war und dann in einer Luftblase durch die Einstiegsluke auftauchen.

Diese letzte Rettungsmöglichkeit wäre im Ernstfall auch der Besatzung der Hunley geblieben: des U-Bootes, das anstelle der Explorer tatsächlich im Sezessionskrieg eingesetzt wurde. Im amerikanischen Warren Lasch Conservation Center in North Charleston soll das legendäre Explorer-Wrack demnächst neben der Hunley ausgestellt werden.

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