Medienrummel um Amanda Knox:Million Dollar Baby

Ob der Pappbecher mit Kaffee in ihrer Hand oder ihre Garderobe bei einem Stadtbummel: Die Boulevardpresse Amerikas verfolgt das Schicksal der freigesprochenen Amanda Knox bis ins noch so nichtige Detail. Die Geschichte der jungen Frau verspricht Millionen Dollars - für die Medien, für Amanda Knox und vielleicht auch für die Familie der ermordeten Meredith Kercher.

Reymer Klüver, Washington

Es ist alles gekommen wie erwartet: Nun geht es allein ums Geld, um viel Geld. Angeblich liefern sich gerade zwei der drei großen amerikanischen TV-Ketten, ABC und NBC, ein Bieterduell um das Recht, ein exklusives Interview mit Amanda Knox zu führen - das erste seit dem spektakulären Freispruch der jungen Frau aus Seattle an der Westküste der USA, die in Italien als eiskalte Mörderin verurteilt worden war und deren Schicksal Millionen Amerikaner seit Jahren bewegt hatte. Von zehn Millionen Dollar ist die Rede. Auch Filmrechte werden wohl verhandelt. Und die Summe von einer Million Dollar für die Buchrechte steht ebenfalls im Raum.

Amanda Knox

Paparazzi,  Klatschgeschichten, Spekulationen um Exklusivinterviews im Fernsehen: Seit ihrer Rückkehr in die USA ist Amanda Knox ein Medienstar.

(Foto: AP)

Die Geschichte ist zumindest aus der Perspektive von Marketing-Spezialisten einfach zu gut: Eine junge, auch noch hübsche amerikanische Studentin wird in der Fremde in einen Mordfall verwickelt und nach einem Prozess mit zwielichtigen Zeugen und fragwürdigen Indizien als Mörderin ihrer Zimmernachbarin verurteilt. Nach vier Jahren in italienischer Haft und einer beispiellosen Sympathie-Kampagne, die ihre Eltern und Freunde zu Hause in Seattle organisieren, spricht ein Berufungsgericht sie frei und die inzwischen 24-Jährige kann in die Heimat zurück. Happy Ending.

Knox bekommt seit ihrer Rückkehr Anfang Oktober, wie es im Amerikanischen heißt, das "full treatment" der Boulevardmedien: Paparazzi vor der Haustür, Spekulationen ohne Ende, und je weniger Handfestes es zu berichten gibt, desto wilder werden die Geschichten. So schreibt der Klatsch-Blog hollywoodlife, dass die junge Frau nun sofort ein Baby haben wolle. Und zwar mit ihrem früheren Freund in Seattle, David Johnsrud, genannt DJ. Knox hatte die Beziehung beendet, ehe sie zum Studium nach Italien aufgebrochen war.

Wenig dem Zufall überlassen

Der wahre Kern der Geschichte ist simpel: Johnsrud hatte nach der Inhaftierung nie den Kontakt zur Familie abbrechen lassen und war angeblich auch des Öfteren bei Knox' Anrufen aus dem Gefängnis bei ihrer Familie zugegen. Die beiden haben sich kurz nach ihrer Rückkehr in Seattle wiedergetroffen. 2010 hatte DJ dem britischen Boulevardblatt Daily Mirror verraten, dass er gerne auf einen Rucksack-Trip mit Knox gehe wolle, wenn sie wieder frei sei. Ihr Vater sagte den Reportern vor seiner Haustür nun, dass es "ein bisschen früh" sei, von einer Neuauflage der Romanze zu sprechen.

Nichts bleibt unbeobachtet. So wurde auch registriert, dass sie auf einer Autofahrt mit ihrem Stiefvater bei einem Drive-in-Starbucks einen Kaffee mitnahm. Und nach einem Einkaufsbummel mit ihrer älteren Schwester wurde genau festgehalten, was die beiden trugen - als wären sie Hollywood-Stars.

Die Familie scheint bisher mit dem Rummel geschickt umzugehen, was nicht verwunderlich ist: Sie hat einen PR-Berater engagiert: Gogerty Marriott, einen Spezialisten für Krisen-PR. So darf man annehmen, dass im Moment wenig von dem, was Knox tut, dem Zufall überlassen bleibt.

Ihr Vater füttert die Boulevardmedien mit Details. So wissen wir inzwischen, dass sich Knox auf den Rasen im Garten gelegt hat - weil es grünes Gras im Gefängnis nicht gab. Er berichtet, dass sich seine Tochter in der Haft eigentlich kaum verändert habe, nur dass sie hin und wieder unwillkürlich Italienisch spreche und nach ihren Erfahrungen mit der Justiz in Europa staatlichen Autoritäten mehr misstraue als früher. "Aber eigentlich ist es so, als sei sie nie fort gewesen", gab Curt Knox zu Protokoll. Was will man mehr?

"Ein etwas anderes Gefängnis"

Ihre Familie schirmt die junge Frau effizient ab. Amanda Knox ist bis auf die wenigen Abstecher zu Zielen in der Nähe im Haus ihrer Mutter geblieben. Es ist ein "etwas anderes Gefängnis", scherzt ihr Vater. Und, ob Zufall oder nicht, in jedem Fall wird zugleich das Image von Knox als Opfer der Justiz gepflegt - was den Vorurteilen vieler Amerikaner sehr entgegenkommt, die staatlichen Autoritäten - zumal im vermeintlich korrupten Ausland - ohnehin tendenziell misstrauen.

So erzählte ihre jüngere Schwester Deanna ABC News, dass Knox im Gefängnis wiederholt belästigt worden sei. Ein Wärter habe sich ihrer Schwester in der Zelle genähert und Anzüglichkeiten geäußert. Ein anderes Mal habe ein Strafvollzugsbeamter Knox nachts in sein Büro kommen lassen und habe mit ihr über Sex sprechen wollen. Kurz nach ihrer Festnahme hätten die Behörden Knox zudem mitgeteilt, dass sie HIV-positiv sei. Das war schlicht gelogen. Knox habe damals in ihr Tagebuch geschrieben: "Bitte, lass das nicht wahr sein."

Irgendwann wird Amanda Knox indes selbst sprechen - und dann wohl für viel Geld. Ihre Familie kann es gebrauchen. Die Kosten für den PR-Berater Marriott und die Anwälte sollen die Millionengrenze längst überschritten haben. Zudem berichtet das britische Boulevardblatt Sun, dass die Eltern der ermordeten Meredith Kercher die junge Frau zivilrechtlich verklagen wollen, von der sie immer noch glauben, dass sie die Mörderin ihrer Tochter ist: Die Rede ist von acht Millionen Pfund Schadensersatz.

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