Medien-Hype um Natascha Kampusch:"Das war doch zum Kotzen"

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Der Medienberater von Natascha Kampusch wirft Journalisten vor, das Entführungsopfer aggressiv unter Druck gesetzt zu haben - und fordert schärfere europäische Mediengesetze. Kampusch selbst widersprach inzwischen einem Stern-Bericht, demzufolge sie dieses Jahr mit ihrem Entführer im Ski-Urlaub gewesen sei.

Dietmar Ecker, Medienberater der vor drei Wochen aus achteinhalbjähriger Gefangenschaft entkommenen Natascha Kampusch, fordert eine Verschärfung der Mediengesetze in Europa.

Titel-Story Natascha Kampusch. (Foto: Foto: dpa)

In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit sagte Ecker, es könne nicht sein, dass sich ein 18-jähriges Opfer nicht mehr aussuchen könne, ob es von den Medien in Ruhe gelassen werde oder nicht.

Der Medienberater sprach von einem enormen Druck der Presse. Als Privatmann hätte er auch gesagt, es gebe kein Interview, das Mädchen müsse sich erholen. "Doch was hätte ich ausgelöst? Bilder von Kampusch beim Eisessen, beim Baden, bei der Mutter - und konstruierte Geschichten dazu."

Es habe sich eine "Soap-Opera" entwickelt, wie es sie seit Lady Diana nicht mehr gegeben habe. In der britischen Boulevardpresse habe bereits gestanden, Kampusch "sei schwanger, hätte eine Affäre mit ihrem Entführer gehabt".

Die vergangenen beiden Wochen seien "so aggressiv" gewesen. Ecker in der Zeit: "Manche Journalisten sagten: "Wir meinen es nicht böse, aber werden so lange Fotografen zu Frau Kampusch schicken, bis wir das erste Foto haben. Und auch die passende Geschichte dazu werden wir finden"."

Wiener Journalisten hätten schon gefragt, ob Kampusch nicht ein "Gspusi mit diesem Prikopil" gehabt hätte. Und die serösen Medien befragten Experten, in deren Analysen Frau Kampusch nachlesen konnte, ob sie nun wirklich am Stockholm-Syndrom litt. "Das war doch zum Kotzen", klagt Eckert.

"Wir brauchen Gesetze, die an die wirtschaftliche Substanz der Unternehmen gehen, wenn sie Persönlichkeitsrechte überschreiten", fordert Ecker deshalb. "Doch diese Novellen müssen auf europäischer Ebene abgestimmt werden."

Mittlerweile habe sich der Hype gelegt. Verschiedene Zeitungen und der österreichische Rundfunk ORF hatten kürzlich ein Interview mit Kampusch geführt. Inzwischen wird die 18-Jährige wieder von der Öffentlichkeit abgeschirmt.

Kampusch hat unterdessen einen Bericht des Hamburger Magazins Stern bestritten, wonach sie Anfang 2006 mit ihrem Entführer im Skigebiet des Semmering gewesen sei.

Nach Angaben der Wiener Kronenzeitung sagte die 18-Jährige dem Blatt, der Bericht sei "Blödsinn". Sie glaube nicht, jemals in dem Skigebiet rund 100 Kilometer südlich von Wien gewesen zu sein.

Der Stern berichtet, Kampusch habe mehrfach Gelegenheit zur Flucht aus ihrer Gefangenschaft gehabt.

Die Nachrichtenagentur APA berichtete, die junge Frau sei von Nachbarn und anderen Bewohnern des Ortes Strasshof immer wieder gesehen worden. So habe ihr Entführer mehrfach in einem Grill-Restaurant nahe einem Einkaufszentrum der Stadt gegessen, während sein Entführungsopfer in seinem Auto habe warten müssen.

Zuletzt habe sie Anfang 2006 mit Priklopil sogar einen Ausflug in das Skigebiet gemacht, behauptet der Stern. Bei einer Verkehrskontrolle der Polizei habe sie sich darüber hinaus nicht zu erkennen gegeben.

Natascha Kampusch hatte in einem Fernsehinterview in der vergangenen Woche erklärt, ihr Entführer habe ihr immer wieder mit Gewalt gedroht, falls sie versuche, aus der Gefangenschaft zu entkommen. Unter anderem habe er angekündigt, in diesem Fall sich selbst und mögliche Befreier Kampuschs zu töten.

Ein Polizeisprecher wollte nach Angaben der APA zu den Berichten nicht Stellung nehmen. Bisher ungeklärt ist auch, ob das Auto Priklopils eventuell mit einer speziellen Fluchtsicherung versehen war. Der Entführer arbeitete zuletzt als Spezialist für Alarmanlagen.

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