Malaysia-Airlines MH370:Wenn die Suche zum Thriller wird

Lesezeit: 2 min

Wenn nur noch Beten hilft: Selbst drei Monate nach ihrem Verschwinden ist nichts über die Malaysia-Airlines Maschine bekannt. (Foto: dpa)

Aliens, Schwarze Löcher, Bermuda-Dreieck: Von MH370 fehlt immer noch jede Spur, doch die Verschwörungstheorien kursieren. Die Geschichte hat das Potential zum Thriller - und ist doch bittere Realität.

Von Patrick Illinger

Einem Thrillerautor würde man die Geschichte um die Ohren hauen, so unglaubwürdig ist sie. Ein Flugzeug verschwindet spurlos. Keine Wrackteile. Keine Black Box. Keine Funksprüche. Kein Radarsignal. Nein, beim besten Willen, das ist hanebüchen. Doch leider ist es keine billige Fiktion, sondern bittere Realität.

Mit Spezialschiffen, Flugzeugen und Unterwasser-Sonden haben Experten in den vergangenen Wochen ein 850 Quadratkilometer großes Meeresgebiet im Indischen Ozean nach Spuren der seit dem 8. März vermissten Boeing 777 der Malaysia Airlines, Flug MH370, abgesucht. Das Gebiet war ausgewählt worden, nachdem dort mögliche Signale aus der Black Box der verschollenen Maschine geortet worden waren. Doch nun hat das zuständige Kontrollzentrum im australischen Perth erklärt, das Flugzeug befinde sich definitiv nicht in dieser Zone.

Und nicht nur das: Auch die empfangenen Black-Box-Töne werden nun in Zweifel gezogen, womöglich wurde sogar das Piepen eines Kühlschranks an Bord eines der Suchschiffe missdeutet. Ob das nun die Quelle war oder nicht, Tatsache ist: Über den Verbleib der Maschine ist nach fast drei Monaten kein Deut mehr bekannt als in den Tagen unmittelbar nach ihrem Verschwinden. Man hat allenfalls zwei Dinge gelernt: Passagierflugzeuge sind schlechter mit der Welt vernetzt als jedes Smartphone und jedes moderne Kfz. Und der Meeresgrund unseres Planeten ist wesentlich weniger erforscht als jeder Quadratmeter auf Mond, Mars und Venus.

Suchaktionen sollen ausgeweitet werden

Das macht es nicht leicht für Suchaktionen, die in den kommenden Wochen und Monaten auf weitere Zonen des Indischen Ozeans ausgeweitet werden sollen. Konfrontiert mit einem nur vage kartografierten Meeresgrund, dessen Tiefe in den fraglichen Gefilden zwischen 2000 und 8000 Meter variiert, ohne dass alle Schluchten und Höhenzüge bekannt wären, kann man eine Sonarsonde kaum sinnvoll einsetzen.

Schall ist dabei das einzige Mittel, um den Meeresboden abzutasten, weil Licht und Radar unter Wasser nicht weit kommen. Doch ist nicht ausreichend erforscht, wie sich Schall in extremer Tiefe verhält, schreibt die Zeitschrift Science in ihrer aktuellen Ausgabe. Schallwellen bewegen sich langsamer im kalten Wasser, aber wie kalt es 4000, 6000 oder 8000 Meter tief im Indischen Ozean ist, das wissen auch Meereskundler nicht.

Kurz: Die Suche nach dem Verbleib von MH370 kann sich noch eine lange, für die Angehörigen unerträglich lange Zeit hinziehen. Die Chance, je an den Flugschreiber zu gelangen, tendiert sogar gegen null. Selbst wenn doch noch schwimmende Wrackteile auftauchen, würde das praktisch nichts erklären. Die Meeresströmungen im Indischen Ozean sind derart verworren, dass man nicht mehr sagen könnte, wo das Treibgut sechs Wochen zuvor war.

Verschwörungstheorien gibt es genug

All das ist der perfekte Brennstoff für die im Internet bereits hemmungslos wuchernden Verschwörungstheorien. Sicher, da ist viel offensichtlicher Blödsinn dabei, von den üblichen Aliens, die ihre Finger im Spiel haben, bis hin zu Schwarzen Löchern und den unsterblichen Bermuda-Dreieck-Phantasien.

Andere Versionen haben es jedoch bereits bis in das Presse-Zentrum des Weißen Hauses gebracht, so zum Beispiel der Spitzenreiter unter all den abwegigen Twitter- und Blog-Theorien über das Verschwinden von MH370. Demnach ist das Flugzeug auf die US-Militärbasis Diego Garcia im Indischen Ozean entführt worden. Entsprechende Suchbegriffe bei Twitter liefern Abertausende Treffer, Youtube-Videos, die dieses Szenario glaubhaft machen wollen, erzielen Millionen Klicks.

Extrem verbreitet ist ein besonders geschmackloser Text, den angeblich ein Passagier des Flugzeugs, gefesselt in einem dunklen Raum auf Diego Garcia seinem im eigenen Hintern versteckten iPhone per Sprachsteuerung diktiert und versendet haben soll. Mitgeliefert wird ein Schnappschuss aus dem, nun ja, Darm des Gefangenen. Pechschwarz natürlich. Da fragt man sich, ob die menschliche Phantasie nicht doch irrer ist als die an sich schon kaum begreifbare Realität.

© SZ vom 31.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: