Madame Tussauds eröffnet:Hitler in Berlin

Lesezeit: 2 min

Darf man Adolf Hitler zu schlichten Unterhaltungszwecken zeigen? In Berlin ist die Wachsfigur des Massenmörders nun unter besonderen Vorkehrungen zu sehen - und sorgt für Empörung.

Darf Hitler im ersten deutschen Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds in Berlin stehen? Diese Frage hat in den vergangenen Wochen in der Hauptstadt einigen politischen Wirbel ausgelöst. Die Veranstalter sagen Ja und haben sich für den Diktator eine besondere Szenerie ausgedacht. Mit finsterem Blick sitzt er in einem grauen Kriegsbunker hinter einem Schreibtisch. An der Wand prangt eine Europakarte, die das Näherrücken der Roten Armee aus dem Osten und der alliierten Streitkräfte aus dem Westen dokumentiert.

Fotografieren normalerweise verboten: Die Wachsfigur von Adolf Hitler in der deutschen Filiale von Madame Tussauds. (Foto: Foto: ddp)

Die Besucher, die von diesem Samstag an in großer Zahl in der neuen Touristenattraktion unweit des Brandenburger Tors erwartet werden, sollen in der Figur einen gebrochenen alten Mann erkennen. "Ich glaube, wir präsentieren ihn in angemessener Weise", sagt die Berliner Tussaud-Managerin Susanne Keller kurz vor der Eröffnung der Schau am Donnerstag.

Bei Madame Tussauds in London steht bereits seit Mitte der 1930er Jahre ein Hitler in brauner Uniform. Als monströse Kuriosität wird er oft fotografiert. Doch als Pläne bekannt wurden, einen Hitler in die einstige Reichshauptstadt zurückkehren zu lassen und ihn hier in der dritten europäischen Niederlassung von Madame Tussauds zu zeigen, regte sich sofort Protest. "Ich halte es für überflüssig und geschmacklos, Hitler in einem Wachsfigurenkabinett zu zeigen", kritisierte etwa der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel. "Was Hitler für die deutsche Geschichte bedeutet, kann man hier nicht zeigen."

FDP-Vize Rainer Brüderle äußerte sich zu Eröffnung nun in der Bild: "Einer der größten Verbrecher aller Zeiten gehört nicht in eine Unterhaltungsausstellung neben Popstars und Sportlegenden. Es ist unsensibel und geschmacklos, in unmittelbarer Nähe zum Holocaust-Denkmal eine Hitler-Figur als Attraktion zu verkaufen." Das Wachsfiguren-Museum steht nur ein paar Hundert Meter vom Holocaust-Mahnmal für Millionenen ermordeter Juden entfernt.

In der gleichen Zeitung äußerte sich Michel Friedman, Ex-Vize des Zentralrats der Juden, empoört: "Adolf Hitler im Wachsfiguren-Kabinett - das ist die Banalisierung eines der brutalsten Massenmörder der Menschheitsgeschichte. Das ist ein völlig falsches Signal einer Pseudo-Pop-Kultur, die Normalisierung des Bösen. Wäre ich dort auch ausgestellt, ich würde darauf bestehen, herausgenommen zu werden. Wer das zu verantworten hat, muss gehen."

Und die Publizistin Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, warnte davor, die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte zur bloßen Unterhaltung werden zu lassen. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bat um Sensibilität. Der Zentralrat der Juden in Deutschland verlangte ergänzende Kommentierungen zu den Verbrechen Hitlers.

All diesen Bedenken glauben die Veranstalter, die eine Hitler- Figur in ihrer Galerie wichtiger historischer Persönlichkeiten für unverzichtbar halten, nun gerecht geworden zu sein. So gibt es einige erläuternde Tafeln zur Historie. Und bevor der Besucher vor Hitler steht, trifft er auf eine Figur der Münchner Studentin und Widerstands-Ikone Sophie Scholl, eines der unzähligen Opfer des Diktators.

Kein Posieren

Auch den Berliner Hitler selbst hält man bei Madame Tussauds für gelungen. "In seinem Gesichtsausdruck ist zu sehen, dass er kurz vor dem Ende ist", sagt Stefan Wessels. Der 32-Jährige verantwortet die Figurenpflege und die Ausstellungstechnik im Berliner Kabinett. Manchem Besucher mag es freilich etwas merkwürdig anmuten, dass der Finsterling in blitzsauberem, feinem Anzug und hinter einem sorgfältig aufgeräumten Schreibtisch mit dickem Buchstapel auf sein Ende wartet.

Mangelnde Sensibilität wollen sich die Veranstalter keinesfalls nachsagen lassen. So herrscht striktes Fotografierverbot. "Aus Respekt vor den Millionen Opfern Hitlers", sagt die Verantwortliche für das Marketing, Natalie Ruoß. Hitler ist die einzige der 75 Wachsfiguren, die weder berührt noch fotografiert werden darf.

Auch das Posieren mit dem NSDAP-Chef wurde von der Geschäftsleitung strengstens untersagt - aus Respekt vor den Millionen Weltkriegstoten, wie eine Infotafel erläutert. Und vielleicht auch, damit sich nicht Rechtsradikale mit der Hitler-Figur ablichten lassen. Zudem wachen Mitarbeiter darüber, dass niemand der Figur zu nahe tritt.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: