Luc Besson kneift:Flucht aus der Vorstadt

Er hat mit "Léon - Der Profi" einen unterkühlten Erfolg gefeiert. Nun wollte Luc Besson professionell mit John Travolta in Montfermeil bei Paris drehen - bis die Autos brannten.

Franziska Brüning

Es macht sich gut, wenn sich Promis aus der Filmwelt sozial engagieren. Auch der französische Filmregisseur, Produzent und Autor Luc Besson arbeitet an seinem Image als Vorzeige-Streetworker. Er unterstützt seit Jahren benachteiligte Jugendliche aus den französischen Vorstädten. Bislang wirkte das nicht einmal geheuchelt. Seine Association Luc Besson organisiert mit wachsendem Erfolg Film- und Kunstfestivals in den heruntergekommenen Vierteln.

Luc Besson kneift: In der Vorstadt Montfermeil bei Paris passiert es nicht selten, dass Randalierer Autos abfackeln - hier ein Foto vom Mai 2006.

In der Vorstadt Montfermeil bei Paris passiert es nicht selten, dass Randalierer Autos abfackeln - hier ein Foto vom Mai 2006.

(Foto: Foto: AFP)

Der Regisseur von "Das fünfte Element", "Johanna von Orléans" und "Léon - Der Profi" will sogar seine Produktionsfirma EuropaCorp aus der Pariser Innenstadt ins berüchtigte Seine-Saint-Denis verlegen, das während der Krawalle im November 2005 traurige Berühmtheit erlangte.

Noch symbolträchtiger aber war seine Entscheidung, Szenen seines neuen Action-Films "From Paris with Love" mit John Travolta in der Hauptrolle im Pariser Vorort Montfermeil zu drehen. Vor einer Woche sollte es losgehen, doch dann zündeten Unbekannte in der Nacht zum ersten Drehtag zehn Autos an, die für Stunt-Szenen vorgesehen waren. Besson ließ die Dreharbeiten umgehend absagen. Er könne für die Sicherheit seines Teams nicht mehr garantieren, ließ er die Stadt Montfermeil und die Medien wissen. Seitdem wartet Xavier Lemoine, der konservative Bürgermeister von Montfermeil, auf eine Erklärung von Besson. Unklar ist, ob die Dreharbeiten wieder aufgenommen werden.

"Seit zwei Monaten haben wir alles dafür getan, damit Luc Besson fünf Tage bei uns drehen kann", sagt Timm Rigal, Bürochef von Lemoine. "Fast 100 Bewohner aus Montfermeil haben sich Urlaub genommen, um als Statisten oder Sicherheitsleute bei dem Film mitzumachen. Die Enttäuschung der Leute ist riesig. Und wir sind wütend."

Timm Rigal ärgert sich, dass Luc Besson zwar "immer der Erste ist, der lautstark verkündet, dass man in die Banlieues gehen und dort arbeiten muss", aber gleich bei der ersten Schwierigkeit Reißaus nimmt. Es sei schließlich bekannt, dass in Montfermeil immer wieder mal Autos in Flammen aufgingen. "Ich hoffe, er ist sich bewusst, welches Trauma seine Entscheidung hier auslöst", sagt Rigal. Bei Timm Rigal ist echter Frust zu spüren - und die Hoffnung, dass Luc Besson zurückkommt: "Wir strengen uns wie verrückt an, um Montfermeil von seinem schlechten Ruf zu befreien. Ich habe immer hier gelebt und es ist viel schöner, als alle behaupten. Eine Minderheit von Randalierern zieht uns aber immer wieder nach unten. Jetzt passiert wieder, was wir schon so oft hatten: Journalisten aus aller Welt rufen an, und wir machen wieder nur schlechte Schlagzeilen."

Der Produzent taucht ab

Eine Erklärung, warum die Autos abgefackelt wurden, hat er nicht. Vielleicht seien einige Jugendliche unzufrieden gewesen, weil sie nicht für den Film engagiert worden seien - oder sie wollten auf sich aufmerksam machen, sagt Rigal. Die Polizei hat eine Untersuchung eingeleitet. Eine Woche nach den Bränden glaubt man im Rathaus in Montfermeil, dass Besson allenfalls ein Pressecommuniqúe herausgeben wird, aber sich wohl kaum noch einmal persönlich meldet.

Vollkommen unverständlich ist die Reaktion des Filmemachers nicht. Chloé Juhel, Moderatorin beim Pariser Hip-Hop- und Soul-Sender Générations 88.2, der sich zum Sprachrohr der Vorstadtjugendlichen gemacht hat, beurteilt die Funkstille zwischen Luc Besson und der Stadt Montfermeil differenzierter: "Ich kann beide Seiten verstehen. Die Leute in Montfermeil hatten große Erwartungen. Es ist meines Wissens noch nicht vorgekommen, dass jemand in so einer abbruchreifen Vorstadt einen Film drehen wollte. Und jetzt ist alles wie ein Soufflé zusammengefallen. Allerdings steht Besson versicherungstechnisch unter Druck."

In einem Radiointerview mit dem Sender Europe 1 hat Luc Besson derweil versucht, sich aus der Affäre zu ziehen. Auf nicht gerade elegante Art: "Ich bin der Chef eines Wirtschaftsunternehmens. Eine Maskenbildnerin, die morgens zur Arbeit kommt, tut das nicht, um einen Stein abzubekommen." Besson spielt mit Ängsten, die er sonst immer abbauen wollte. Steine sind in Montfermeil nämlich nicht geflogen.

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