Loveparade-Katastrophe:Trauer, Wut und Rücktrittsforderungen

Der Druck auf Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland und die Loveparade-Veranstalter wächst. Auch prominente Stimmen aus der Union kritisieren Sauerland inzwischen scharf. Indes wird bekannt, dass die Veranstalter die Besucherzahlen offenbar über Jahre gefälscht haben.

Während sich Stadtverwaltung, Polizei und Veranstalter die Verantwortung für die Katastrophe bei der Loveparade gegenseitig zuschieben, bereitet sich Duisburg auf die Trauerfeier für die 21 Opfer vor. Wenn am Samstag in der ganzen Bundesrepublik die Fahnen auf Halbmast gehängt werden, wird in der Duisburger Salvatorkirche die zentrale Gedenkfeier begangen. Wegen der erwarteten großen Anteilnahme soll die Trauerfeier auf Großbildleinwänden in und vor dem Duisburger Fußballstadion übertragen werden. Die Straßenbauverwaltung will sogar auf eine geplante Autobahnsperrung der A95 verzichten, um den zehntausend erwarteten Besuchern die Anreise zu erleichtern.

Yvonne Schroeder, Dominique Pavone

Der Schmerz hält an: Trauernde Loveparadebesucher demonstrieren vor dem Duisburger Rathaus.

(Foto: APN)

Vier Tage nach der Trauerfeier wird sich der Innenausschuss des NRW-Landtags mit der Katastrophe befassen, berichtet die Rheinische Post. Die CDU habe eine Sondersitzung beantragt, wie eine Sprecher der Fraktion bestätigte. Der CDU-Innenexperte Peter Biesenbach will dem Zeitungsbericht zufolge unter anderem klären, welche Meldungen der Polizei-Einsatzleitung in der letzten halben Stunde vor dem Unglück vorlagen. Die wechselseitigen Schuldzuweisungen stellten insbesondere die Gefühle der Angehörigen auf eine harte Probe, sagte Biesenbach. Die Politik sei ihnen im besonderen Maße verpflichtet, nun baldmöglichst für Klarheit zu sorgen.

Druck auf Sauerland wächst

Unterdessen wächst der Druck auf Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Vor dem Rathaus demonstrierten am Donnerstag etwa 250 zumeist jüngere Menschen. "Sauerland, Sie tragen die Verantwortung", sagte einer der Redner und forderte den Rücktritt des Stadtoberhaupts. Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihr Innenminister Ralf Jäger (beide SPD) forderten den Duisburger Oberbürgermeister indirekt zum Rücktritt auf.

Ähnliche Stimmen gab es aus Sauerlands Partei, der CDU. Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, sagte in der Fernsehsendung Maybritt Illner, Sauerland trage die politische Verantwortung und "hafte" damit auch politisch für mögliche Fehler seiner Mitarbeiter. "Ob ich eine Verfügung unterschrieben habe oder nicht, ist völlig zweitrangig", sagte Bosbach. Zwar könne er verstehen, dass Sauerland nicht mit einem Rücktritt den Eindruck eines möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Schuldeingeständnisses erwecken wolle. Ein solches Amt sei aber "nicht nur mit Würde, sondern gelegentlich auch mit einer Bürde verbunden", sagte Bosbach.

Seit Jahren falsche Besucherzahlen

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU) sagte im SWR, je schneller Sauerland seinen Hut nehme, desto besser. Zugleich äußerte Uhl scharfe Kritik an Stadtverwaltung und Polizei. Der Auflagenbescheid der Stadt für die Massenveranstaltung zeige "abenteuerlich, wie fahrlässig hier gehandelt" worden sei. In dem Dokument sei an keiner Stelle erwähnt, wie der Veranstalter "Sicherheit herstellen will und soll, und wie viele Ordner er dazu braucht, und an welcher Stelle was zu tun und zu lassen" sei.

Veranstalter gab drei mal höhere Besucherzahlen an

Sauerland selbst entschuldigte sich für Fehlinformationen am Unglückstag. In einem Brief an seine Mitarbeiter kündigte er zudem Konsequenzen an, lehnte einen sofortigen Rücktritt aber erneut ab. In dem Brief hießt es: "Ich möchte vermeiden, dass der Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt einer Vorverurteilung der Verwaltung gleichkäme, die sich bei der Vorbereitung der Loveparade hoch engagiert eingebracht hat. Ich kann und will das nicht zulassen." Er werde zu gegebener Zeit die notwendigen Konsequenzen ziehen. In der Bild -Zeitung betonte Sauerland zudem, er selbst habe die Loveparade nicht genehmigt. "Ich persönlich habe nichts unterschrieben, keine einzige Genehmigung." sei.

Zudem gibt es Hinweise, dass die veröffentlichten Zahlen der Loveparade-Teilnehmer im Ruhrgebiet von Beginn an gefälscht worden waren. In einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung hieß es, keine der angegebenen Besucherzahlen der Loveparades in Essen, Dortmund und Duisburg sei korrekt gewesen. Laut Veranstalter seien jedesmal weit über einer Millionen Menschen zur Loveparade geströmt. Das sei maßlos übertrieben, gehe aus einem "streng vertraulichen" Dokument des Loveparade-Veranstalters Lopavent hervor. In dem 34 Seiten starken Papier heißt es, die tatsächlichen Zahlen hätten "keinen Bezug zur offiziellen Besucherzahl für mediale Zwecke". Wie es in dem Papier weiter heißt, wird zur Ermittlung der "öffentlichen Besucherzahl" die Zahl der tatsächlich erwarteten Besucher verdreifacht.

In Duisburg hielt Lopavent die Verantwortlichen der Stadt an, die tatsächlichen Angaben unter allen Umständen geheim zu halten: "Eine Veröffentlichung dieser Zahlen könnte dem öffentlichen Ansehen der Veranstaltung immensen Schaden zuführen, was sicher weder im Interesse des Veranstalters liegt noch im Interesse der Stadt Duisburg". In der vertraulichen Analyse der Besucherzahl heißt es im Falle Duisburgs, dass zur Loveparade maximal 485.000 Besucher über den Tag verteilt erwartet würden. In Spitzenzeiten wurde mit höchstens 235.000 Zuschauern gerechnet.

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