Love Parade:Zeitlupen-Justiz

Jahresrückblick 2010 - Loveparade-Katastrophe

Bei einer Massenpanik auf der Duisburger Love-Parade sterben am 24. Juli 2010 insgesamt 21 Menschen. Mehr als 500 Personen werden verletzt.

(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Zum ersten Mal beschäftigt die Love-Parade-Katastrophe von 2010 Duisburger Gerichte: Die Zivilkammern haben das Strafverfahren einfach überholt.

Von Bernd Dörries

Man kann sich natürlich fragen, was das für ein Schmerz ist, was für eine posttraumatische Belastung, die erst vier Jahre später so groß wird, dass man Schadensersatz für sie bekommen will. So lange hat es nämlich gedauert, bis ein 53-Jähriger Feuerwehrmann aus Duisburg die Stadt verklagte, den Veranstalter Rainer Schaller und seinen Dienstherren, das Land Nordrhein-Westfalen - wegen der Schäden, die er nach dem Einsatz auf der Loveparade 2010 erlitten habe. 2014 reichte der Feuerwehrmann die Zivilklage ein, nun soll sie am 1. September 2015 verhandelt werden, wie das Landgericht Duisburg am Donnerstag mitteilte, es geht um 65 000 Euro.

Es wird das erste Mal sein, dass die Katastrophe auf der Loveparade im Jahr 2010 überhaupt in irgendeiner Form vor einem Gericht aufgearbeitet wird. Normalerweise ist es umgekehrt, normalerweise warten Betroffene eines Unglücks darauf, ob in einem Strafverfahren ein Fehlverhalten einer Institution oder einer Firma festgestellt wird, bevor sie auf Entschädigung klagen. Gibt es ein Urteil im Strafprozess, wird die Sache leichter und die Summe vielleicht größer, weil sich Zivilrichter darauf berufen können, dass der Sachverhalt ja schon geklärt sei.

In Sachen Loveparade ist nichts geklärt, fünf Jahre nach dem Unglück mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten grübelt das Landgericht Duisburg immer noch darüber, ob es die Anklage zulassen soll oder nicht. Sie richtet sich gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und gegen vier des Veranstalters. Der ehemalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland gehört nicht zum Kreis der Beschuldigten und wird es wohl auch nicht mehr, mit dem fünften Jahrestag der Katastrophe beginnt auch die Verjährung. Immer wieder wurde der englische Gutachter, von dessen Urteil so viel abhängt, vom Landgericht gebeten, seine Untersuchungen nachzubessern. Unterlagen gingen verloren, Staatsanwälte wurden ausgewechselt. Mittlerweile haben die Zivilkammern das Strafverfahren überholt.

Neben dem Feuerwehrmann wird das Landgericht Duisburg am 12. November die Klagen von drei Frauen verhandeln, die angeben, auf dem Festivalgelände Schaden genommen zu haben. Eine vierte behauptet, zwar gar nicht auf das Gelände gekommen, aber dennoch Geschädigte zu sein. Anders als der wahrscheinliche Strafprozess werden die Zivilverfahren nicht sehr umfangreich sein. "Eine Aufklärung der Ereignisse wird dabei insofern erfolgen, wie dies für die Streitentscheidung im konkreten Einzelfall notwendig ist", teilte das Landgericht mit. Eine Beweisführung ist erst einmal nicht vorgesehen. Üblicherweise machen Zivilkammern in solchen Fällen einen Vorschlag zur gütlichen Einigung. Im Fall des Feuerwehrmannes sieht das Gericht bereits im Vorfeld ein mögliches Berufsrisiko.

Im Schriftverkehr vor der ersten mündlichen Verhandlung haben die Anwälte des Veranstalters deutlich gemacht, dass sich die Versicherung der Loveparade bisher in vielen Hundert Fällen auf eine Entschädigung verständigt habe, dies bei den Klägern aber aufgrund fehlender Unterlagen oder Ähnlichem nicht gelungen sei. Die Kläger bestreiten das. Im Vergleich zum Strafverfahren ist im Zivilprozess eine Verurteilung leichter, da nicht einer individuellen Person ein Versagen nachgewiesen werden muss, sondern die Stadt oder der Veranstalter als Ganzes in Haftung genommen werden können. Die sehen sich jedoch nicht in der Verantwortung und bezweifeln die Traumafolgen.

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