New York:Ist der Mörder ein Polizist?

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Zehn Leichen hat die Polizei bereits gefunden. Nun jagt sie den Mörder von Long Island in den eigenen Reihen. Denn: Der Täter stellt sich einfach zu geschickt an.

Jörg Häntzschel, New York

Vier Leichen waren es Ende vorigen Jahres; weitere vier in der vergangenen Woche. Nun, nachdem die Polizei auf Long Island die Überreste zweier weiterer Menschen gefunden hat, erscheint es immer wahrscheinlicher, dass es sich zumindest bei einigen der Toten um die Opfer eines Serienmörders handelt.

Verzweifelte Suche nach Beweisen: Bei der Jagd nach dem Mörder von Long Island sind nun auch Taucher der Polizei vor der Küste unterwegs. (Foto: AFP)

Es war das mysteriöse Verschwinden der Prostituierten Shannan Gilbert, das die Polizei in diese sonst friedliche Gegend eine Autostunde von Manhattan entfernt führte. Eines Morgens im vergangenen Mai hatte sie an die Tür eines Wohnhauses in Gilgo Beach geklopft. "Er will mich töten!" rief sie. Doch während der Anwohner die Polizei rief, rannte sie davon. Bis heute bleibt sie verschwunden.

Statt Gilbert fand die Polizei im Dezember vier Frauenleichen, die, in Jutesäcke verpackt, unweit voneinander im Unterholz lagen. Alle vier waren Prostituierte, die ihre Dienste wie Gilbert auf der Online-Börse Craigslist angeboten hatten. Kaum wurde die Suche nun nach der Schneeschmelze wieder aufgenommen, stieß die Polizisten auf sechs weitere Leichen. Shannan Gilbert, die ein Metallimplantat trug, ist nicht unter ihnen.

Ob sie alle Opfer desselben Täters sind, ist zweifelhaft. Die Polizei rätselt, ob und wie die zuletzt gefundenen Leichen, unter denen die eines Mannes und die eines Kleinkinds ist, mit den vier ermordeten Prostituierten in Verbindung stehen. Während die Prostituierten in den letzten vier Jahren im Unterholz versteckt wurden, sind die nun gefundenen Überreste sehr viel älter: "Die Rippen und der Schädel waren mit Wurzeln überrankt", zitiert die New York Post einen Beamten.

Nach seiner Theorie könnte es sich deshalb um Opfer von Joel Rifkin handeln, einem Serienmörder, der vor acht Jahren gestanden hatte, auf Long Island 17 Prostituierte umgebracht zu haben. Drei seiner Opfer waren nie gefunden worden.

Alle Leichen lagen tief im Unterholz versteckt auf einem schmalen Dünenstreifen, der Long Island vorgelagert ist. Zehntausende New Yorker fliehen jedes Jahr an den Sommerwochenenden aus der glühenden Stadt in das abgetakelte Seebad aus den zwanziger Jahren. Im Winter jedoch sind die riesigen Parkplätze verwaist und die abgetakelten Art-déco-Gebäude verrammelt - nicht der schlechteste Ort, um eine Leiche loszuwerden.

Inzwischen wurde die Suche nach möglichen weiteren Leichen auch auf die weitere Umgebung der bisherigen Fundorte ausgeweitet. 125 Beamte kämpfen sich zu Fuß und auf Pferden durch das undurchdringliche Unterholz, Taucher suchen die Buchten ab.

Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass der Mörder der vier im Dezember vergangenen Jahres gefundenen Prostituierten entweder selbst Polizist ist oder einen ähnlichen Hintergrund hat. Darauf deute die Tatsache hin, dass er häufige Fehler anderer Verbrecher streng vermeidet.

Die Anrufe, mit denen er Angehörige seiner Opfer kurz nach deren Verschwinden quälte, stammten jeweils von belebten Orten wie dem New Yorker Times Square oder dem Madison Square Garden und dauerten nie länger als drei Minuten. Bevor die Polizei ihn orten konnte, verschwand er jeweils unbemerkt in der Menge.

© SZ vom 14.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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