London:Versteckte Kamera

11 10 2017 London United Kingdom New Piccadilly Circus Billboard To Track Cars To Provide Ads

Ein bisschen mehr Zivilisation ist nicht verkehrt - solange uns so wundervolle Orte wie Piccadilly Circus in London erhalten bleiben.

(Foto: Dinendra Haria/imago)

Die "Piccadilly Lights" bestehen jetzt aus einem einzigen, riesigen Bildschirm, der auf seine Umgebung reagiert. Und Werbung einspielt, die zu den Fußgängern passt.

Von Alexander Menden

Um die 100 Millionen Menschen pro Jahr passieren den Londoner Piccadilly Circus, ein Großteil davon Touristen. Wer aber in den vergangenen neun Monaten die Kreuzung von Piccadilly, Shaftesbury Avenue und Regent Street besuchte und auf ein Selfie mit den Piccadilly Lights an seiner Nordseite hoffte, wurde enttäuscht. Seit Januar war die vielleicht berühmteste Werbefläche der Welt eingerüstet und dunkel. So lange wie seit 1949 nicht mehr.

Die Wartezeit ist nun fast vorbei: Am 26. Oktober wird die Leuchtreklame offiziell wieder eingeschaltet. Die 790 Quadratmeter große, gewölbte Fläche, die bisher mit sechs Bildschirmen bestückt war, wird dann nur noch von einem einzigen gigantischen Schirm bedeckt sein. Zwar kann man ihn noch immer in sechs Rechtecke mit unterschiedlichen Werbebotschaften aufteilen, aber mit den Neonreklamen, die in alten Londoner Filmszenen ebenso wenig fehlen durften wie die roten Doppeldeckerbusse, wird er technisch sonst so gut wie nichts mehr gemein haben.

Die Piccadilly Lights sind künftig mit Wlan ausgestattet, das jeder Passant gratis nutzen kann. Vor allem aber wird Erkennungstechnik zum Einsatz kommen, die den Werbebildschirm in die Lage versetzt, auf seine Umgebung zu reagieren. So werden laut der Betreiberfirma Landsec versteckte Kameras rund um die Reklamefläche Marke, Modell und Farbe der vorbeifahrenden Autos erkennen. So kann, wenn bestimmte Autos über die Kreuzung fahren, ein auf diese abgestimmter Werbespot ausgelöst werden. Auch Alter und Geschlecht von Fußgängern werden gescannt und die Werbebotschaften entsprechend angepasst. Auch Sportresultate, Nachrichten und Feeds aus diversen sozialen Medien sollen im Programm sein.

Personalisierte Werbung wie im Kino? Datenspeicherung? Die Briten sind da entspannt

Das alles wirkt wie die beängstigend personalisierte Werbung, die dystopische Science-Fiction-Filme wie Stephen Spielbergs "Minority Report" schon vor Jahren vorhersagten. In London, einer Stadt, in der Überwachungskameras jeden einzelnen Bürger hundertfach täglich erfassen, wird das wenig Aufregung erzeugen. Die Briten sind, was Datenschutz angeht, deutlich entspannter als zum Beispiel die Deutschen. Dennoch betont Landsec ausdrücklich, es werde keinesfalls irgendwelche Datenspeicherung über die Besucher des Piccadilly Circus geben.

Bei einem Testlauf vergangene Woche schien sich allerdings ein anderes Problem abzuzeichnen: Als der Riesenbildschirm eingeschaltet wurde, tauchte er die Kreuzung in gleißendes Licht. Beobachter befürchteten, es werde zu Unfällen kommen. Die neuen Piccadilly Lights können Autofahrer nicht nur scannen, sondern auch blenden.

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