London:Eine Welle der Gewalt

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Seit Beginn des Jahres wurden allein in London 14 Teenager ermordet - Politiker und Jugendarbeiter suchen nun nach Auswegen.

Wolfgang Koydl

Sidcup in Südlondon am vergangenen Samstag, Dewsbury im nordenglischen Yorkshire am Sonntag, und am Montag wieder in London - mitunter scheint es, als ob Teenager in Großbritannien im Tagestakt Opfer von Gewalttaten werden.

Freunde trauern in London um den ermordeten Jungschauspieler Rob Knox, bekannt aus der jüngsten "Harry Potter"-Verfilmung. (Foto: Foto: AFP)

Die Nation hatte den Schock über den Mord an dem 18-jährigen Jungschauspieler Robert Knox noch nicht überwunden, da wurde wieder ein Mord gemeldet.

Diesmal war das Opfer erst 16 Jahre alt. Allein in London wurden seit Beginn des Jahres 14 Teenager ermordet - die Mehrheit von ihnen wurde erstochen.

In ganz Großbritannien zählte man seit Anfang 2007 insgesamt 68 Mordopfer, die jünger waren als 25 Jahre. Auch hier war in den meisten Fällen ein Messer die Tatwaffe.

Mord wegen eines Mobiltelefons

Robert Knox starb, als er bei einem Streit vor einer Kneipe seinem jüngeren Bruder zu Hilfe kommen wollte. Der junge Mann, der im soeben abgedrehten jüngsten Harry-Potter-Film eine Rolle spielte, wurde als bescheidener und ruhiger Typ geschildert, der alles andere als gewalttätig war. Liebenswürdig und friedfertig war auch der 16-jährige Jimmy Mizen, dem vor zwei Wochen in Südlondon mit einer Glasscherbe die Kehle durchgeschnitten worden war.

Diese Tat ereignete sich vor einer Bäckerei, am helllichten Tag. Mittlerweile werden die Morde nicht mehr nur in Vororten mit schweren Sozialproblemen verübt: Anfang Mai verblutete ein junger Mann auf dem Pflaster der Londoner Oxford Street inmitten von Tausenden von Passanten, nachdem er mit einem Messer attackiert worden war.

Politik und Polizei ringen um eine Lösung. Seit kurzem dürfen Polizisten in London Jugendliche auch ohne konkrete Verdachtsmomente wieder anhalten und nach Waffen untersuchen. Diese Taktik war vor Jahren eingestellt worden, nachdem der Polizei vorgeworfen worden war, gezielt schwarze Jugendliche zu verfolgen.

Jugendarbeiter kritisieren Polizeimethoden

Londons neuer Bürgermeister Boris Johnson hatte die Wiedereinführung von Stop-and-Search-Aktionen zum Wahlkampfthema gemacht und der Polizei zusätzliche mobile Metalldetektoren versprochen. Sozialarbeiter kritisieren die neue Taktik.

Der Jugendarbeiter Nathan Jones wies darauf hin, dass viele Jugendliche nur deshalb ein Messer bei sich führten, weil sie sich von anderen jungen Menschen bedroht fühlten. "Solange sie nicht alle einsehen, dass sie alle ihre Waffen und Messer ablegen müssen, werden wir keine Lösung für dieses Problem finden", sagte er.

Sir Al Aynsley-Green, der von der Regierung eingesetzte Kinderkommissar für die elf Millionen Kinder und Jugendlichen in England, äußerte sogar die Befürchtung, dass die neuen Polizeimethoden den "Antagonismus" unter jungen Leuten erhöhen könnten, weil sie nicht ihre Bedürfnisse berücksichtigten. "Jugendliche sollten als Teil der Lösung gesehen werden, und nicht als Teil des Problems", sagte er. Ähnlich äußerte sich Camila Batmanghelidjh von der Jugendstiftung "Kids Company". Nach ihren Worten fühlen sich Kinder unsicher, weil Erwachsene es nicht schafften, schützende Strukturen zu errichten.

© SZ vom 27.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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