Liebesgeschichten (15):Vier Worte

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"Ich werde nicht heiraten", telegrafierte Gerda Leineweber aus Sydney nach Hause in den Taunus. Vier nackte Worte, die den Beginn einer lebenslangen Liebe markierten.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Eigentlich war alles klar: drei Wochen Übersee, Zwischenstopps in Pakistan und Thailand, ein paar freie Tage in Sydney, ein bisschen Strand, dann zurück in den Flieger, zurück in den Taunus, zu den Eltern, in ihr Kinderzimmer. Zurück in ihr durchgeplantes Leben. Noch ein paar Wochen Kleider anprobieren und Karten schreiben, dann die Hochzeit. Aber dann kommt Gerda Schmid etwas dazwischen: ein Mann kommt dazwischen. Einer, der fliegt, so wie sie. Der Räder im Sand schlagen kann.

März 1969, Gerda Schmid, die damals 25 ist und noch Gerda Leineweber heißt, arbeitet als Stewardess und ist mit einem Freund ihres Vaters verlobt. Viel Zeit bleibt nicht mehr, noch zwei Monate bis zur Hochzeit. Als sie mit der Crew in Frankfurt eincheckt, sieht sie ihn, den Zwischenfall, zum ersten Mal. Peter Schmid, ebenfalls 25, ist Co-Pilot, er muss spontan einspringen und ist ein wenig sauer. Beim Stopp in Pakistan lädt Gerda die Crew zum Polterabend ein, beim zweiten Stopp in Bangkok gehen alle in einem Club tanzen. Peter und Gerda, die ganze Zeit zusammen, nichts passiert. In Sydney ruft der Co-Pilot sie auf ihrem Hotel-Zimmer an, ob sie ihm den Schlüssel für seinen Samsonite-Koffer leihen könne? "Das waren damals noch Universalschlüssel, wir hatten den gleichen Koffer." Erst habe sie gedacht, dies sei ein "fauler Trick", um sie rumzukriegen, "er wollte aber wirklich nur seinen Koffer aufmachen."

In Sydney haben sie ein paar Tage frei und fahren zum Manly Beach. Gerda und Peter sitzen nebeneinander, sie reden und reden und reden. "Und wir haben den Krebsen dabei zugeschaut, wie sie sich bei jeder Welle an den Felsen festgeklammert haben." Peter schlägt Räder im Sand, an den Verlobten zuhause denkt Gerda nicht sehr viel. Kurz darauf mietet die Crew ein Boot, drei Tage auf dem Hawkesbury River, ein Paradies nach dem anderen zieht vorbei. Schließlich fahren Gerda und Peter mit einem Ruderboot zu einem Wasserfall, zu zweit. Alles schreit nach einem Kuss, also küsst er sie. Gerda will zwar nie wieder weg von diesem Wasserfall, weiß aber auch, dass "die Katastrophe" näher rückt. Die Katastrophe, das ist dieses gute Gefühl, das sie hat, wenn sie mit dem Co-Piloten zusammen ist. In Sydney verschickt sie ein Telegramm an ihren Verlobten, jedes Wort kostet Geld, also schreibt sie: "Kann dich nicht heiraten!"

Was nun beginnt, ist die unschöne Phase der Konsequenzen: Gerda hat Angst, von ihrer Familie verstoßen zu werden. Als sie wieder im Taunus ankommt, stehen ihre Eltern und ihr Verlobter um sie herum, reden auf sie ein, erinnern an ihr "Versprechen". Sie sagt: "Ich werde nicht heiraten." Überall muss sie nun alleine hin, um die Hochzeit abzusagen; zum Pfarrer, zum Standesamt, überall sagt sie: "In einem Jahr komme ich wieder, mit einem anderen Mann." Sie bricht mit allem, Katastrophe mit unkatastrophalem Ausgang, eineinhalb nach ihrem Kennenlernen heiraten sie tatsächlich, Gerdas Familie hat sich mittlerweile mit ihr und dem neuen Mann versöhnt. 46 Jahre sind sie nun zusammen - trotzdem, hat sie ihre Entscheidung mal bereut? "Nein, ich habe mich verliebt, und das war meine erste richtige Entscheidung, nur meine."

In dieser Reihe erzählt das Panorama die Liebesgeschichten seiner Leser. Schreiben Sie eine E-Mail an liebesgeschichte@sz.de oder einen Brief an Süddeutsche Zeitung, Panorama, Hultschiner Straße 8, 81677 München.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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