Liebesgeschichte (8):Antrag nach dem ersten Kuss

Christine und Florian Rösl: Was eine Pfütze bewirken kann.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Sie müssen 15 oder 16 gewesen sein, so genau weiß er das nicht mehr. Florian Rösl weiß nur, wie er an einem Sommertag am Bahnhofskiosk in Wasserburg am Inn stand und ein Mädchen sah. Er hatte sie schon öfter gesehen, aber an diesem Tag nahm er sie zum ersten Mal richtig wahr: große Nase, schlanker Körper, ein langer, blonder Seitenzopf. Ob er ihr ein Eis ausgeben dürfe? Nein, sie lehnte ab, ganz höflich. Florian und Christine gingen zwar auf dieselbe Schule, liefen über denselben Schulhof - fragt man sie aber ein halbes Jahrhundert später, wie es losging, dreht sich alles um dieses niemals gegessene Eis in diesem nicht genau datierbaren Jahr. Aber was ist das schon, ein Jahr? Florian Rösl, 73, und Christine Rösl, 72, Lehrer aus München, sind seit 51 Jahren verheiratet.

Nach der Eis-Episode vergingen fast zwei Jahre, bis sie sich näherkamen. Ihre Klassen wurden zwar zusammengelegt, doch sie redeten kaum miteinander. Im Frühsommer 1961 gab es dann diesen Schulausflug zum Steinernen Meer: Ein Spaziergang, sie hatte kalte Hände; ob sie die in seiner Hosentasche wärmen wolle? Diesmal sagte sie Ja. Es folgte ein Jahr voller Missverständnisse. Eigentlich wären beide gerne zusammen zum Tanzkurs gegangen, doch ein anderer Junge war schneller; heute sagt sie: "Das hat mir leidgetan, weil ich das viel lieber mit Florian gemacht hätte." Er sagt: "Ein dummer Zufall."

Liebesgeschichte (8): Florian und Christine Rösl sind seit 51 Jahren verheiratet.

Florian und Christine Rösl sind seit 51 Jahren verheiratet.

(Foto: privat)

Und dann: erneut ein Schulausflug, das Ruhrgebiet im Regen, wieder gingen sie spazieren. Ob er sie über die Pfütze tragen dürfe? Ja, das durfte er. Ob er sie küssen dürfe? Ja, auch das. Für beide war es der allererste Kuss. Und als er ihr am nächsten Tag am Rheinufer einen Heiratsantrag machte - gerade mal 18 Jahre alt - da nahm sie an. Wie die beiden so schnell sicher sein konnten? Sie waren es einfach.

Überrascht sei sie schon gewesen, sagt Christine. "Aber ich dachte: Der ist nett, hat ein gutes Benehmen, und wir verstehen uns, warum also nicht?" Ihr Vater, damals Postamtsleiter, sei nicht so begeistert gewesen, sagt Florian. "Wenn er wenigstens Postinspektor wäre", habe der gesagt.

1963 machten sie Abitur, sie fing an in München zu studieren, er musste zur Bundeswehr und zog nach Augsburg, dann nach Schleswig, dann nach Landsberg. Zwei Jahre lang sahen sie sich nicht so oft, keine leichte Zeit. "Als er in den Norden gegangen ist, da hab' ich so geheult." Drei Jahre nach ihrem ersten Kuss heirateten sie, der Sohn war schon unterwegs, Florian zog in die Nähe von München, und sie waren wieder zusammen, so richtig. Bis heute. "Es war eigentlich ein schönes Leben, es ist ein schönes Leben", sagt Christine Rösl. Bleibt nur eine Frage: Wieso hat sie das Eis damals abgelehnt? "Ich habe mich nicht getraut. Ein Eis war damals etwas sehr Kostbares."

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