Der Schatz lag unter Schlamm: Säcke voller Diamanten, Smaragde und Rubine. Zentnerschwere Statuen, Schalen und Kronen, dazu tonnenweise Goldmünzen. Mehr als 100 Jahre lagen sie verborgen, in Geheimgängen tief unter dem Sri-Padmanabhaswamy-Tempel (im Bild) in der Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Kerala.
Die Opfergaben indischer Monarchen und Pilger waren über Jahre und Jahrzehnte schlichtweg vergessen worden. Es gab zwar Gerüchte. Der Maharadscha von Travancore, ein Nachfahre der einstigen Herrscher von Kerala, hatte jedoch lange Zeit gerichtlich verhindert, dass jemand ihnen auf den Grund geht.
Was vergangenes Wochenende nun im Gewölbe unter der 450 Jahre alten Hindu-Kultstätte gefunden wurde, geht weit über das hinaus, was indische Forscher vermutet hatten: Sieben Milliarden Euro seien die Opfergaben wert, hieß es am Wochenende, da waren fünf Geheimkammern geöffnet. Am Montag folgte eine weitere, die Rede ist nun von Reichtümern im Wert von 15 Milliarden Euro. Ganze Bundesstaaten könnten davon ihren Haushalt über Jahre hinweg bestreiten, Steuern wären überflüssig.
So kam mit dem Reichtum auch die Angst vor dem Verlust: Schwerbewaffnete Polizisten rückten an, Überwachungskameras wurden aufgestellt, der Sensationsfund soll nun rund um die Uhr bewacht werden.
"Der Schatz wird im Tempel bleiben", kündigte der Regierungschef von Kerala an. Erst wenn der Oberste Gerichtshof Indiens es erlaubt, wollen die Forscher weiter vordringen. Nationalistische Hindus wollen nicht zulassen, dass der Schatz aus dem Tempel entfernt oder öffentlich ausgestellt wird. Der Hindu-Verband SNDP drohte gar mit Massenselbstmord, falls die Regierung versuche, den Schatz an sich zu reißen.
Den Jägern verlorener Schätze gibt das indische Tempel-Gold dennoch schon jetzt Hoffnung. Denn es beweist: Es gibt sie noch, die sagenhaften Schätze, die ihren Finder reich und berühmt machen können. Man muss sie nur entdecken. Hinweise, Gerüchte und Mythen jedenfalls gibt es genug - eine Auswahl.
(Frederik Obermaier/SZ vom 06.07.2011)