Lebensmittelskandal:Aus irischen Landen giftig auf den Tisch

Experten werfen der irischen Regierung vor, die Öffentlichkeit schlecht zu unterrichten. In Deutschland wurden fünf Betriebe beliefert.

Wolfgang Koydl, London

Nicht die Gans, und noch nicht einmal der Truthahn sind die klassischen Weihnachtsmahlzeiten in Großbritannien und in Irland. Oft ist es ein dampfender, duftender Schinken, der zum Fest aufgetischt wird - mit goldbrauner Glasur und so groß und wohl gerundet wie eine ganze Schweineschulter.

Dioxin im Schweinefleisch

Rinderhälften in einer Fleischerei. Inzwischen wurde bekannt, dass mit Dioxin verseuchtes Futter auch an Rinderzüchter geliefert wurde.

(Foto: Foto: ddp)

Für Irlands Schweinezüchter hätte die Entdeckung von dioxinvergiftetem Schweinefleisch daher zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können: Wenige Wochen vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft wurden die Regale der Supermärkte von allem Schweinefleisch leergeräumt. Würste, Speck, Schinken, Blutwurst, Salami, Steaks und Schnitzel im Gesamtwert von mindestens 125 Millionen Euro müssen vernichtet werden.

Inzwischen wurde bekannt, dass mit Dioxin verseuchtes Futter auch an mehrere Rinderzüchter in Irland geliefert wurde. Das teilte die EU-Kommission am Montag in Brüssel mit. Die betroffenen Bauernhöfe dürften kein Schlachtvieh mehr auf den Markt bringen. Die irischen Behörden untersuchten derzeit, ob das Fleisch verseucht worden sei. Das fragliche Futtermittel werde an Rinder aber in sehr viel geringeren Dosen verfüttert als an Schweine, sagte EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou. Milchproduzierende Höfe seien nicht betroffen, betonte die Kommissarin.

Das Bundesverbraucherschutzministerium sieht derzeit keine Gefahr durch dioxinverseuchtes Schweinefleisch aus Irland. "Nach den Lieferlisten, die von den irischen Behörden veröffentlicht wurden, sind seit 1. September dieses Jahres 2,4 Tonnen irisches Schweinefleisch nach Deutschland gelangt", sagte Ministeriumssprecherin Ulrike Hinrichs. "Es besteht derzeit keine Gefährdung."

Notschlachtung von 100.000 Tieren

Das Fleisch sei an drei Betriebe in Nordrhein-Westfalen und an zwei Betriebe in Schleswig-Holstein geliefert worden. Es handle sich um Schweinehälften oder Teilstücke, nicht um verarbeitetes Fleisch wie Würste oder Pizzafleisch, sagte Hinrichs. Eine Dioxin-Belastung wird nach Angaben der Bundesregierung noch geprüft.

Die irische Regierung schätzt, dass irisches Fleisch in bis zu 25 Länder weltweit ausgeliefert wurde. Singapur und Südkorea waren die vorläufig letzten Staaten, die Import und Verkauf irischen Fleisches untersagten. Die EU-Kommission in Brüssel hat Lebensmittelexperten aus Irland und anderen EU-Staaten zu einer Krisentagung gebeten, die ein europaweites Vorgehen koordinieren sollen. Zur Sicherheit haben die Lebensmittelaufsichtsbehörde und das Landwirtschaftsministerium in Dublin darüber hinaus vorsorglich die Notschlachtung von bis zu 100.000 Tieren angeordnet.

Erst gegen Mitte der Woche erwarten Metzger neue Lieferungen, sobald grünes Licht für die Schlachtung nicht betroffener Schweine gegeben worden ist. Das Gift hatte sich in Schweinefutter befunden, das von einer Firma in der südostirischen Grafschaft Carlow hergestellt und an 56 Bauernhöfe in der Republik Irland und im britischen Nordirland verkauft worden war. Tests hatten ergeben, dass einige Produkte 80- bis 200-mal mehr Dioxin als gesundheitlich vertretbar enthielten.

Zugleich warnten die Lebensmittelaufsichtsbehörden in Irland und in Großbritannien die Verbraucher allerdings vor Panik. Sie wiesen darauf hin, dass das PCB im Fleisch zwar Krebs auslösen könnte; doch dazu sei ein regelmäßiger Konsum über viele Jahre notwendig. Tony Holohan vom irischen Gesundheitsministerium erinnerte an Untersuchungen, die nach einem ähnlichen Dioxin-Skandal 1999 in Belgien durchgeführt worden waren. "Ausgehend von dieser belgischen Erfahrung erwarten wir keine Auswirkungen auf den Gesundheitszustand", erklärte er. "Es ist auf dieser Basis, dass wir die Leute beruhigen."

Umweltfreundliches Image

Der Biochemiker James Heffron von Trinity College in Dublin hingegen warf der Regierung vor, die Öffentlichkeit nicht ausreichend zu unterrichten. "Erst wenn wir alle Informationen - auch über die Dauer der Gefährdung - haben, können wir sie mit den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation über hinnehmbare Dioxin-Mengen vergleichen", erklärte er der Tageszeitung Irish Times.

Viele Farmer auf der Grünen Insel befürchten ohnehin einen länger anhaltenden Vertrauensverlust irischer und ausländischer Konsumenten. Die irische Lebensmittelindustrie setzt jährlich sieben Milliarden Euro um. Die Marketingstrategie beruht auf einem naturnahen, umweltfreundlichen Image. Der Dioxin-Skandal hat diesen Ruf nachhaltig beschädigt. Irlands Bauernverbandspräsident Padraig Walshe gab sich indes zuversichtlich. "Sobald sich die irischen Verbraucher wieder der Sicherheit und hohen Qualität des Produktes versichert haben, werden sie weiter diesen traditionellen Sektor der Landwirtschaft unterstützen", erklärte er.

Immerhin sind die Auswirkungen auf die gesamte irische Wirtschaft nicht mehr so weitreichend, wie dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen wäre. In dem ehemaligen Agrarland tragen Bauern und Farmer nur mehr fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Landwirtschaft beschäftigt nur mehr sechs Prozent aller Arbeitskräfte im Land. Zum Vergleich: 67 Prozent der Iren arbeiten in einer Dienstleistungsbranche.

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