Landgericht Paderborn:Angeklagte Angelika W. spricht über eigenes Leid in Höxter

Mordprozess um 'Horror-Haus' von Höxter

Die Angeklagte Angelika W. versteckt im Landgericht in Paderborn ihr Gesicht hinter einem Aktenordner.

(Foto: dpa)
  • Die Angeklagte Angelika W. stellt sich als Opfer ihres Ex-Ehemannes dar.
  • Die 47-Jährige berichtet, wie ihr Ex-Ehemann sie misshandelt und gequält hat, bevor die beiden gemeinsam andere Frauen gefügig machten.

Angelika W. spricht in ganzen Sätzen, ohne zu stocken, als sie über ihr Leben berichtet. Sie sei auf einem Bauernhof aufgewachsen, habe eine glückliche Kindheit durchlebt, nach dem Realschulabschluss eine Lehre in einer Gärtnerei gemacht, sagt sie - und wirkt dabei wie eine ganz normale, gebildete Frau.

Angelika W. steht gemeinsam mit ihrem Exmann Wilfried W. vor Gericht, wegen gemeinschaftlichen Mordes durch Unterlassen. Dem einstigen Ehepaar wird vorgeworfen, Frauen mit Kontaktanzeigen in ihr Haus in der Nähe der nordrhein-westfälischen Stadt Höxter gelockt und dann brutal misshandelt zu haben. Der Anklage zufolge ketteten die beiden ihre Opfer stundenlang an, traten sie oder verbrühten sie mit heißem Wasser. Mindestens zwei Frauen aus den niedersächsischen Städten Uslar und Bad Gandersheim überlebten das Martyrium nicht.

Dass sich beide Angeklagte schuldig gemacht haben, steht bereits fest. Das Gericht muss nun klären, wer die treibende Kraft hinter den Taten war.

Am ersten Verhandlungstag vor drei Wochen wurde am Landgericht Paderborn lediglich die Anklage verlesen. An diesem Mittwoch nun sagt die Frau aus, die beschuldigt wird, ihren Exmann bei seinen Gräueltaten zumindest unterstützt zu haben. Die 47-Jährige hatte sich selbst, vor allem aber ihren Exmann in den Vernehmungen schwer belastet. Ein Großteil der Anklage geht nach Angaben ihres Anwalts Peter Wüller auf ihre Aussage zurück. "Aus meiner Sicht ist sie Täter und Opfer zugleich", so Wüller. Seine Mandantin sei selbst jahrelang von Wilfried W. gequält worden, bevor sie gemeinsam andere Frauen gefügig machten.

Angelika W. spricht am Vormittag anderthalb Stunden am Stück, unterbrochen wird sie nur durch die Fragen des Richters. Noch etwas ungenau berichtet sie, wie sie Wilfried W. kennengelernt hat, im Januar 1999. Wohl auch über eine Kontaktanzeige. Dann wird sie konkreter: Die ersten Tage mit Wilfried W. seien sehr schön gewesen. Schon in der zweiten gemeinsamen Woche habe sich aber gezeigt, dass der Mann keinen Widerspruch dulde. Er sei damals bei der Bahn angestellt gewesen, als eine Art Hausmeister, und habe sie dazu bewegt, ihm bei der Arbeit zu helfen.

Wenn sie seinem Willen nicht folgte, sei Wilfried W. nervös geworden, berichtet die Angeklagte. Dann habe es endlose Streitigkeiten gegeben. Bald habe er sie auch geschlagen und eines Tages, nach einem besonders schweren Streit, in den Keller gezogen. Angelika W. berichtet, noch immer ohne zu stocken, wie ihr der Mann über der Badewanne den Duschkopf ins Gesicht hielt, mit laufendem Wasser, sodass sie zu ertrinken glaubte. Einen Tag später habe er ihr den Duschkopf auf die Schulter gehalten. Diesmal sei das Wasser brühend heiß gewesen. Sie habe versucht, nicht zu schreien - aus Angst, ihn noch mehr zu reizen.

Angelika W. ist danach nicht zum Arzt gegangen, trotz großer Schmerzen und obwohl sie Brandwunden am Arm davontrug. Weil sie ihrem Mann keine Probleme machen wollte, wie sie sagt. Sie habe Angst gehabt, dass sie ins Krankenhaus komme und ihr Mann dann alleine mit dem Auto zur Arbeit fahren müsse. "Dabei hat er doch keinen Führerschein." Auch jetzt würde sie Wilfried W. nicht wegen der Gewalt gegen sie anzeigen - sie wolle nicht, dass er dann eine noch längere Haftstrafe bekomme.

Die Aussage der 47-Jährigen wird am Nachmittag noch weitergehen. Es wird erwartet, dass sie sich auch zu den Tatvorwürfen äußert. Zu den Qualen, die auch sie den Opfern im "Horrorhaus von Höxter" zugefügt haben soll, ehe sie gemeinsam mit Wilfried W. Ende April dieses Jahres aufflog. Das Paar war damals gerade dabei, die schwer verletzte Susanne F. aus Höxter zurück in ihre Wohnung nach Bad Gandersheim zu bringen. Nach einer Autopanne starb die Frau im Krankenhaus - und die Polizei wurde auf das Paar aufmerksam.

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