Lager der niedersächsischen Polizei:"Die Waffen haben in Kisten auf dem Flur gelegen"

Ein Polizeiangestellter steht vor Gericht, weil er Revolver, Flinten und Bajonette aus dem zentralen Waffenlager in Niedersachsen gestohlen haben soll. Die Aussagen des Angeklagten und mehrerer Zeugen geben Einblick in abenteuerliche Zustände bei der Behörde.

Ein früherer Angestellter der Zentralen Polizeidirektion Hannover hat gestanden, zur Vernichtung ausrangierte Waffen für sich behalten zu haben. Er gab zu, die Waffen, darunter Revolver, Luftgewehre, Bajonette, Doppelflinten und Schalldämpfer, zwischen Mai 2011 und November 2012 gestohlen und teilweise verkauft zu haben. "Ich habe eine Sammelleidenschaft gehabt und mich für die Waffen interessiert", sagte der 57-Jährige Mechaniker und Waffenexperte vor dem Hildesheimer Landgericht. Er schilderte, wie er etliche Waffen in seinen Spind legte, sie dann in einen blauen Sack steckte und mit dem Auto in seine Wohnung und sein Elternhaus transportierte.

Die Ausführungen des Mechanikers geben einen Einblick in die teils abenteuerlichen Zustände, die im Zentrallager für abgegebene Waffen in Hildesheim herrschten. Der Diebstahl wurde erst durch das Chaos in der Behörde möglich - das berichteten neben dem Angeklagten auch mehrere Zeugen.

Das Zentrallager in Hildesheim war nach dem Amoklauf von Winnenden die zentrale Aufbewahrungsstelle für abgegebene Waffen aus Niedersachsen. Bürger durften damals straffrei und freiwillig Waffen abgeben, für die sie nicht die nötige Besitzerlaubnis hatten. Von Hildesheim aus sollten die eingesammelten Stücke zur Vernichtung in einen Hochofen nach Salzgitter gebracht werden.

Überfüllte Lagerräume, überforderte Mitarbeiter

"Die Lagermöglichkeiten in unserer Behörde waren dafür aber nicht ausgelegt. Wir sind teilweise kaum noch in die Zimmer gekommen, die Waffen haben in Kisten auf dem Flur gelegen", sagte der Angeklagte. An manchen Tagen seien bis zu 900 Waffen angeliefert worden, im Jahr wohl um die 30 000. Auch die Mitarbeiter seien darauf nicht vorbereitet gewesen, es habe ein heilloses Durcheinander geherrscht, berichtete der Waffenexperte. Dokumentiert worden sei nur die Abgabe der Waffen, nicht aber ihre Vernichtung. Sein Diebstahl sei deshalb niemandem aufgefallen.

Zu Prozessbeginn gab es eine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten. Der Vorsitzende Richter erklärte, dass Mann, der inzwischen nicht mehr an seiner alten Arbeitsstelle beschäftigt ist, bei einem Geständnis nicht ins Gefängnis müsse. Den Angeklagten erwartet eine Bewährungsstrafe zwischen neun und 18 Monaten. Anklage und Verteidigung stimmten dem Deal zu. Der Prozess wird am 16. Juni fortgesetzt.

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