Kunst:Figuren und Theater

The stolen seated statue of the Kanzeon Bodhisattva from Kannonji temple in Tsushima, Nagasaki Prefecture.

Wem gehört der 700 Jahre alte weibliche Buddha des Mitgefühls?

(Foto: Cultural Heritage Administration of South Korea)

Geklaute Buddha-Statuen und provozierende "Trostfrauen"-Skulpturen: Südkorea und Japan streiten sich derzeit um gleich mehrere Skulpturen. Und nun sorgt ein Gerichtsurteil für neuen Ärger zwischen den beiden Nationen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Ein Streit um eine Bronzefigur sorgt für internationale Verwicklungen. Denn ein Bezirksgericht im südkoreanischen Daejon hat entschieden, dass die Figur, die aus einem japanischen Tempel gestohlen wurde, nicht nach Japan zurückgegeben werden darf. Die Bronze zeigt Kannon, den weiblichen Buddha des Mitgefühls.

Doch von Mitgefühl kann nicht unbedingt die Rede sein. Die Kannon-Statue war vor fünf Jahren aus dem Kannonji-Tempel auf Tsushima gestohlen worden, einer Insel in der Meerenge zwischen Japan und Korea. Südkoreas Polizei hatte die Diebe ein Jahr später erwischt, als sie die etwa 50 Zentimeter große Figur verkaufen wollten. Eine zweite Skulptur aus einem Shinto-Schrein, die sie auch erbeuteten, hat die Polizei inzwischen wieder nach Japan zurückgeschickt. In Japan werden öfter Tempel und Shinto-Schreine geplündert. Den Kannonji-Tempel wählten die Diebe wohl vor allem deshalb aus, weil sie sich von Tsushima leicht nach Südkorea absetzen konnten.

Und noch ein weiterer aktueller Figurenstreit kommt hinzu, denn Seoul und Tokio streiten auch über die Statue eines sitzenden Mädchens, welches koreanische Friedensaktivistinnen jüngst vor dem japanischen Konsulat in Busan aufgestellt haben. Diese Figur soll an die Koreanerinnen erinnern, die im Zweiten Weltkrieg gegen ihren Willen von der japanischen Armee als sogenannte "Trostfrauen" in ihre Feldbordelle verschleppt wurden. Auch vor Japans Botschaft in Seoul steht eine solche Erinnerungsstatue. Unter dem Druck der USA hatten sich Tokio und Seoul eigentlich vor einem Jahr geeinigt, ihren jahrzehntealten Streit um die "Trostfrauen" beizulegen. Dazu gehörte aus japanischer Sicht allerdings auch, dass die Statue vor der Botschaft in Seoul verschwinden müsse. Stattdessen aber kam dann noch die zweite in Busan hinzu. Also zog Japans Premier Shinzo Abe den japanischen Botschafter aus Seoul ab. Und jetzt macht die 700-jährige Kannon-Figur alles noch komplizierter. Im Jahr 1951 hatten Forscher in ihrem Bauch ein Dokument gefunden, welches belegt, dass sie in Seosan an der koreanischen Westküste hergestellt wurde. Ein südkoreanischer Tempel klagte deshalb gegen ihre Rückgabe an Japan. Das überzeugte das Gericht von Daejon, zumal es in Südkorea eine Liste von 70 000 Kunst- und religiösen Objekten gibt, die widerrechtlich nach Japan gebracht worden sein sollen. Die Mönche des Tempels bereiten nun eine Feier für die Hüterin des Mitgefühls vor. Doch Tokio lässt nicht locker. Die Regierung dränge Seoul "über verschiedene diplomatische Kanäle auf ihre baldmögliche Rückgabe", so Kabinettssekretär Yoshihide Suga, der den Entscheid des Gerichts "sehr bedauerlich" findet.

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