Kriminalität:Fall Freiburg: Was die DNA-Analyse kann

Kriminaltechnisches Institut des LKA

Im Kriminaltechnischen Institut des LKA in Stuttgart wurde das entscheidende Haar entdeckt.

(Foto: dpa)

Ein Haar führte zum mutmaßlichen Täter. Polizei und Politiker wollen nun die Rechte zur DNA-Analyse ausweiten. Doch was ist überhaupt möglich? Und was erlaubt?

Von Juri Auel, Anna Fischhaber und Berit Uhlmann

Am Ende ist es ein Haar, das dem mutmaßlichen Täter im Freiburger Vergewaltigungs- und Mordfall zum Verhängnis wird. Ein ziemlich auffälliges Haar. 18,5 Zentimeter lang, schwarz und teilweise blondiert. Die Ermittler hatten einen Brombeerstrauch am Tatort nahe des Fußballstadions am Flüsschen Dreisam abgemäht, in drei Säcke gepackt und ihn zur Untersuchung zum Landeskriminalamt nach Stuttgart geschickt. Dort finden Analytiker Wochen später das Haar, an dessen Wurzel männliche DNA gesichert wird.

Auf Videoaufnahmen aus der Tatnacht entdeckt die Polizei in einer Straßenbahn in der Freiburger Innenstadt einen Jugendlichen mit eben solch einer markanten Frisur. Obwohl er seine auffälligen Haare nach dem Tod der Studentin verändert hat, erkennt eine Streife bald darauf nicht weit vom Tatort entfernt den jungen Mann und nimmt ihn mit. Ein DNA-Abgleich bringt Gewissheit: Bei dem 17-jährigen Flüchtling aus Afghanistan handelt es sich um den mutmaßlichen Täter.

Seitdem ist nicht nur die politische Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen erneut entbrannt, auch der Ruf nach einer umfassenderen Auswertung von DNA-Spuren wird lauter. Bei der Tätersuche hätte das massiv geholfen, sagt etwa der Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger in der Badischen Zeitung: "Wir hätten wesentlich konzentrierter die Ermittlungen vorantreiben können."

Auch die CDU-Minister für Justiz und Inneres in Baden-Württemberg, Guido Wolf und Thomas Strobl, haben sich für mehr Möglichkeiten bei der Auswertung von DNA-Spuren ausgesprochen: "Im Prinzip ist dies mit dem Fall vergleichbar, in dem ein Täter bei einer Straftat zufällig gefilmt oder fotografiert wird. Auch in diesen Fällen würden wir uns dann die Aufnahmen anschauen und versuchen, alle erkennbaren Merkmale des Täters zu identifizieren." Die Konferenz der Justizminister von Bund und Ländern will im Frühjahr über eine mögliche Ausweitung beraten. Denn dazu wäre eine Gesetzesänderung auf Bundesebene nötig.

"Biologische Zeugen"

Doch was ist eigentlich bislang möglich? Hautzellen, Haare, Sperma, Blut- und Speicheltröpfchen: Noch aus winzigen Hinterlassenschaften des Menschen können Forscher inzwischen DNA extrahieren und - wenn sie in der Datenbank gespeichert ist - die Identität eines Menschen feststellen. Bis zu 181 674 Taten, so das Bundeskriminalamt, wurden dank des genetischen Fingerabdrucks bislang aufgeklärt.

Seit Anfang des Jahrtausends verwenden Forensiker - etwa in Großbritannien und den Niederlanden - diese Erbgutschnipsel auch, um aus ihnen Rückschlüsse auf das Äußere einer Person zu ziehen. Der deutsche Rechtsstaat setzt bei der DNA-Analyse dagegen hohe Hürden: Die DNA, die an einem Tatort gefunden wird und wahrscheinlich vom Täter stammt, darf laut Gesetz nicht auf Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe analysiert werden, auch wenn dies technisch zumindest teilweise möglich ist und sich die Suche damit eingrenzen ließe.

"Biologische Zeugen" nennt der Rotterdamer Molekularbiologe Manfred Kayser diese Spuren im Fachblatt Genetics und argumentiert, dass ihre Nutzung letztlich nichts anderes sei, als die Aussagen von Augenzeugen auszuwerten. In einigen Fällen seien diese biologischen Zeugen sogar zuverlässiger als das stressanfällige menschliche Erinnerungsvermögen. Allerdings ist die Wissenschaft weit davon entfernt, aus einem Hautschüppchen ein Phantombild erstellen zu können.

Rote Haare sind mit 90-prozentiger Sicherheit erkennbar

Am besten funktionieren DNA-Tests bislang bei der Analyse der Haar- und Augenfarbe. Blaue und braune Augen erkennen sie mit einer Sicherheit von etwa 95 Prozent. Andere Augenfarben lassen sich weniger gut identifizieren. Am schwierigsten wird es, wenn eine Iris in mehreren Farbtönen changiert; das Ergebnis ist dann nur in 75 Prozent der Fälle richtig. Unterschiedlich gut funktionieren die DNA-Analysen auch bei der Identifizierung von Haarfarben. Nur ein roter Schopf lässt sich mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit erkennen. Prinzipiell können die Analysen nur die genetisch angelegte Farbe erkennen. Dunkelt blondes Haar im Laufe des Lebens nach, wird der Schopf grau, weiß oder gefärbt, nützt das DNA-Ergebnis wenig.

Wie gut Informationen aus dem Erbgut die Hautfarbe erkennen lassen, ist bislang nur in kleineren Studien überprüft worden. Wissenschaftler arbeiten auch daran, Alter, Körpergröße und die Veranlagung zu frühem Haarausfall aus den DNA-Spuren ablesen zu können. Komplexere Merkmale wie Gesichtszüge werden sich dagegen nicht so schnell aus einzelnen Zellfundstücken am Tatort rekonstruieren lassen.

Welche Bedenken es gibt

Wesentlich besser ließe sich heute bestimmen, in welcher Region ein Mensch seine Wurzeln habe, erklärt Forensiker Lutz Roewer vom Institut für Rechtsmedizin an der Charité Berlin. Bei Opfern, deren Identität nicht anderweitig bestimmt werden könne, werde die Herkunft schon heute mittels DNA überprüft. Bei Tätern ist man dagegen vorsichtiger: "Das Thema Kriminalität in Verbindung mit Abstammung gilt in Deutschland aus nachvollziehbaren Gründen als heikel", so Roewer. Nur in einem Fall habe sein Institut auf Beschluss eines Richters bislang die Herkunft eines Täters bestimmt.

Roewer sieht keine Probleme darin, bei schweren Verbrechen künftig mit Hilfe von Genspuren nachzuweisen, aus welcher Region ein Täter kommen könnte. Möglicherweise hätte das der Polizei im Fall von Freiburg sogar geholfen. Als ein Hinweis von vielen. Bislang kann man aber nicht sagen, ob ein mutmaßlicher Täter aus der Türkei oder Aserbaidschan kommt, lediglich dass seine DNA auf den westasiatischen Raum hinweist. Auch die mangelnde Präzision bei der Bestimmung der Haar- und Hautfarbe sieht er kritisch: "Da stellt sich natürlich immer die Frage: Was nützt so eine ungenaue Aussage der Polizei?", sagt Roewer.

Eine generelle Liberalisierung der Gesetze lehnt er ab. Eine Gesamtgenom-Analyse, bei der zum Beispiel auch die Veranlagungen für Krankheiten errechnet werden können, hält er für überzogen: "Solche intimen Daten sind zu schützen und gehören nicht in die Hände der Polizei."

Vorbehalte wegen Fehleranfälligkeit

Auch Politiker haben Bedenken: Derartige "Ermittlungen sind hochkomplex und deshalb gibt es keine Wundermittel", sagt Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand. Es handele sich um hochsensible Daten, deren Nutzung auf schwere Straftaten begrenzt werden müsse. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte meint: "Es ist falsch, die weitergehende DNA-Analyse zum Allheilmittel der Kriminalitätsbekämpfung auszurufen. Dazu ist sie zu fehleranfällig und riskant."

Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Antisemitismus, Rassismus und rechte Gewalt engagiert, ist gegen eine Ausweitung der DNA-Analyse. Für ihre Bildungsreferentin Golschan Ahmad Haschemi fällt eine Auswertung nach Haar-, Haut- und Augenfarbe unter das "Racial Profiling", bei dem jemand allein wegen seiner Rasse ins Visier der Ermittler gerät.

Im Fall Freiburg hätte eine solch weitergehende Analyse wohl sowieso nichts gebracht: Die markante Blondierung, die schließlich zum mutmaßlichen Täter führte, hätten die DNA-Analytiker nämlich gar nicht erkannt.

(Mit Material der Agenturen)

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