Kreuzfahrtschiff nach der Havarie:"Costa Concordia" bewegt sich - Rettungskräfte in Gefahr

Sechs Todesopfer sind geborgen worden und noch immer werden mindestens 14 Menschen vermisst, die an Bord des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" waren. Auch von mehr als zehn Deutschen fehlt jede Spur. Doch die Suche muss zwischenzeitlich eingestellt werden. Der Grund: Das Schiff rutscht ab.

Bergungskräfte der Feuerwehr haben am Montagmorgen an Bord des vor der italienischen Insel Giglio gekenterten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia ein weiteres Todesopfer entdeckt, es handelt sich um einen Passagier. Doch am Mittag mussten die Rettungskräfte ihre Suche nach Überlebenden und Opfern zwischenzeitlich einstellen, denn das Wrack des Passagierschiffs ist wegen des schlechten Wetters abgerutscht. Die Arbeit der Rettungstaucher wurde zu gefährlich, als katastrophal beschrieb der Chef der Küstenwache-Taucher, Rodolfo Raiteri, die Arbeitsbedingungen.

Die Experten könnten sich in den Gängen des Schiffes nur schwer vorwärtsbewegen, weil diese durch zahlreiche Gegenstände versperrt seien. Nach Informationen von Repubblica.it hat sich das Schiff bislang um wenige Zentimeter in der Höhe und 1,5 Meter in der Horizontalen verschoben.

Am Nachmittag setzten die Rettungskräfte ihre gefährliche Suche fort, weil sich die Wetterbedingungen wieder besserten.

Mehr als zehn Deutsche werden vermisst

Die Costa Concordia war am Freitagabend nahe der Insel Giglio vor der toskanischen Küste gegen einen Felsen gelaufen und leckgeschlagen. Die Bilanz des Unfalls: Die Zahl der Todesopfer ist mittlerweile auf sechs gestiegen. Mindestens 14 Menschen werden noch vermisst, darunter mehr als zehn Deutsche.

[] Allein in Hessen gelten fünf Menschen als vermisst: Ein Ehepaar aus Mühlheim, 71 und 72 Jahre alt, zwei Schwestern aus Offenbach, 70 und 78 Jahre alt, sowie ein 74-jähriger Mann aus Maintal würden vermisst, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Offenbach.

[] Auch ein Ehepaar aus dem nordrhein-westfälischen Ibbenbüren wird vermisst. Der Sohn hatte nach dem Unglück noch einmal mit seinem 72-jährigen Vater und der 68-jährigen Mutter telefoniert. Seitdem habe er keinen Kontakt mehr.

[] Ein Ehepaar aus Berlin, eine Frau aus Oberasbach (Bayern) sowie eine 66-jährige Frau aus Laupheim und eine 71-jährige Frau aus dem Raum Nürtingen (Baden-Württemberg) gelten als verschollen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wollte sich zu den konkreten Fällen nicht äußern und sprach von einer Vermisstenzahl "im niedrigen zweistelligen Bereich". Es könne durchaus "weitere betrübliche Nachrichten" geben, sagte er.

Vorwürfe gegen den Kapitän

Der Eigner der Costa Concordia hat unterdessen schwere Vorwürfe gegen den Kapitän des Schiffes erhoben und ihm eine "unerklärliche Fehlentscheidung" vorgeworfen. Der Bordkommandant habe auf eigene Faust ein nicht genehmigtes Manöver vollführt, erklärte die Reederei am Montag. Einem Zeitungsbericht zufolge fuhr der Kapitän zu nah an die Insel Giglio heran, um einem Schiffskellner einen Gefallen zu tun.

Kapitän Francesco Schettino hatte das Schiff mit mehr als 4200 Menschen an Bord am Freitagabend zu dicht an die Insel Giglio vor der toskanischen Küste gesteuert, wo es auf einen Felsen lief und leckschlug.

Bereits am Sonntag wies das Unternehmen den Vorwurf einiger Passagiere zurück, dass bei der Evakuierung in der Nacht zum Samstag nicht genügend Schwimmwesten zur Verfügung gestanden hätten.

Reederei lobt Mannschaft

Der 52 Jahre alte Kapitän war bereits am Samstag nach einer Befragung zu den Unglücksumständen festgenommen worden. Ihm droht unter anderem ein Verfahren wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung.

Zu Behauptungen, der Kapitän habe das Schiff noch vor den letzten Passagieren verlassen, gab es keine Stellungnahme der Reederei. Medienberichten zufolge soll der Kapitän mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen "SOS"-Ruf soll es nicht gegeben haben. Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Black Box des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.

Die Reederei hob unterdessen in ihrer Erklärung die Leistung der Besatzung bei der Evakuierung der Menschen von Bord der Costa Concordia hervor. Die Mannschaft habe "tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen", hieß es. Dagegen hatten Passagiere von chaotischen Szenen berichtet und über unzureichende Sicherheitsausrüstung geklagt.

Todesopfer und Vermisste

Zuletzt hatten Taucher am Sonntag die Leichen zweier Männer im Heck des auf der Seite liegenden Schiffes entdeckt. Bei den geborgenen Toten handelt es sich Medienberichten zufolge um einen Spanier und einen Italiener. Drei Menschen wurden lebend geborgen. Zuvor hatten die italienischen Behörden den Tod von zwei Franzosen und einem Peruaner bestätigt.

Kreuzfahrtschiff nach der Havarie: Bergungsarbeiten auf der Costa Concordia: Rettungskräfte haben ein sechstes Todesopfer gefunden.

Bergungsarbeiten auf der Costa Concordia: Rettungskräfte haben ein sechstes Todesopfer gefunden.

(Foto: AFP)

Schiffsbergung kompliziert, Umweltkatastrophe befürchtet

Nach einem Abschluss der Such- und Bergungsaktion wird vor allem die Frage nach möglichen Umweltbelastungen für die knapp 2400 Tonnen Dieselöl in den Tanks des Kreuzfahrtschiffes in den Vordergrund treten.

Italiens Umweltminister Corrado Clini hat bereits vor einer Naturkatastrophe gewarnt. Die Costa Concordia habe riesige mit schwerem Dieseltreibstoff gefüllte Tanks, sagte er der Zeitung La Stampa und sprach von einem "Alptraum". Sollte sich der Treibstoff auf dem Meeresgrund absetzen, käme das einem "Desaster" gleich. Im schlimmsten Fall könne tonnenweise Öl ins Meer fließen und so eine "außergewöhnliche Küstenlandschaft" verseuchen und Meerestiere und Vögel an der toskanischen Küste gefährden. Umweltschützer halten eine Naturkatastrophe als Folge des Unglücks allerdings nicht für wahrscheinlich. Wenn zügig mit dem Abpumpen des Treibstoffs begonnen werde, könnten größere Schäden an der Natur verhindert werden, sagte Greenpeace-Sprecher Kai Britt im Nachrichtensender n-tv.

Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen "das Schiff zu sichern und abzuschleppen". Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.

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