Kolumbien:Die Rebellen wollen helfen

Kolumbien: Ausnahmezustand in Mocoa.

Ausnahmezustand in Mocoa.

(Foto: Fernando Vergara/AP)

Nach den Erdrutschen von Mocoa sind immer mehr Tote zu beklagen, die Seuchengefahr steigt, der Ausnahmezustand wurde ausgerufen, 500 Kilogramm an Medikamenten sind bereits eingetroffen. Und nun will die Farc helfen.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Nach dem Wasser ist es jetzt die Hitze, die Mocoa bedroht. Bei Überschwemmungen und Erdrutschen waren Teile der südkolumbianischen Kleinstadt in der Nacht zu Samstag komplett ausradiert worden. Die Zahl der offiziell bestätigten Todesopfer stieg inzwischen auf 254, darunter 60 Kinder. Zahlreiche Leichen wurden laut Augenzeugen von Bäumen geborgen, wo sie zwischen den Ästen feststeckten. Wegen des feuchtwarmen Klimas im Amazonasbecken steigt nun die Seuchengefahr. Die Toten müssen so schnell wie möglich beerdigt werden, Überlebende verpackten sie in Plastiksäcke und trugen sie auf Bahren zum Friedhof.

Die Seuchengefahr ist auch deshalb real, weil in der zwischenzeitlich von der Außenwelt komplett abgeschnittenen Stadt die Trinkwasserversorgung zusammenbrach. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos erklärte den Ausnahmezustand und sicherte nach einem Ortsbesuch einen raschen Wiederaufbau zu. "Mocoa wird besser dastehen als zuvor", versprach er.

500 Kilogramm an Medikamenten trafen bereits im Katastrophengebiet ein, drei Krankenstationen wurden eingerichtet, um die rund 200 Verletzten zu behandeln. Spezialeinheiten der nationalen Streitkräfte sind im Einsatz, dazu Hunderte freiwillige Helfer. Das Ausmaß der Zerstörung ist aber so groß, dass jede helfende Hand gebraucht werden kann. Ein großer Teil der gut 40 000 Einwohner ist jetzt obdachlos. Unzählige Häuser wurden unter den Gerölllawinen begraben, sieben Brücken wurden zerstört. Es gibt derzeit auch keinen Strom.

Nun hat sogar die ehemalige Guerilla-Gruppe Farc konkrete Hilfe beim Wiederaufbau angeboten. Deren rund 7000 Rebellenkämpfer haben sich gerade in sogenannte Befriedungszonen zurückgezogen, um, wie im Friedensvertrag vorgesehen, ihre Waffen niederzulegen und sich in herkömmliche Bürger zu verwandeln. Eine dieser Zonen befindet sich etwa drei Autostunden von Mocoa entfernt, in San José del Guaviare. Dort sind angeblich rund 400 Mitglieder der aufgelösten Guerilla stationiert. Iván Márquez, der Chefunterhändler der Farc für den Friedensprozess, teilte am Sonntag in einer Videobotschaft mit: "Ich habe mit den Guerilleros dort gesprochen, sie wollen nach Mocoa gehen, um zu arbeiten und zu helfen."

Der Plan ist so naheliegend wie kompliziert. Einerseits ist die Region Putumayo, zu der Mocoa gehört, eine ehemalige Farc-Hochburg. Vermutlich kennt niemand die Gegend besser als die einstigen Rebellen. Und wenn sie dort jetzt mit Schaufeln statt mit Gewehren aufträten, wären die Segnungen des Friedensprozesses für die kriegsgeplagte Landbevölkerung erstmals konkret erlebbar. Anderseits gehört zu den Friedensvereinbarungen die Auflage, dass die Guerilleros ihre Befriedungszonen nicht verlassen dürfen. Das müsste von der kolumbianischen Regierung und von der UN-Mission genehmigt werden, die den Prozess überwacht. Eine heikle Entscheidung, zumal die künftige Rolle der Farc in der Zivilgesellschaft hoch umstritten ist. Ein Senator der konservativen Opposition hatte am Sonntag sogar behauptet, die Erdrutsche seien durch Sprengstoff der Farc ausgelöst worden. Nach einem Sturm der Entrüstung musste er sich dafür entschuldigen.

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