Öffentliche Trinkgelage:Soko Kölsch

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Düsseldorf rühmt sich für die längste Theke der Welt, Köln hat dafür die wohl größte öffentliche Kneipe Deutschlands. Anwohner wollen jetzt einen privaten Sicherheitsdienst engagieren.

Von Bernd Dörries, Köln

In Düsseldorf mögen sie die längste Theke der Welt haben, Köln hat die wahrscheinlich größte öffentliche Kneipe des ganzen Landes. Auf dem Brüsseler Platz stehen bei gutem Wetter Tausende unter schönen, alten Bäumen vor einer großen Kirche und trinken und lachen und trinken bis zum Sonnenaufgang. Am Morgen danach zeigt sich der Platz dann ziemlich zerknautscht, Flaschen liegen herum, die Blumenbeete sind zertrampelt und nach Urin riecht es auch.

Die Anwohner sprechen von "ballermannähnlichen Zuständen", die Stadt versucht seit Jahren, die Zustände unter Kontrolle zu bringen. Ohne großen Erfolg, sagt ein Zusammenschluss der Nachbarn, die nun einen privaten Sicherheitsdienst engagieren wollen. Schwarze Sheriffs gegen Bierchentrinker.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war das öffentliche Trinken auf der Straße hauptsächlich Menschen mit Alkoholkrankheit vorbehalten. Mittlerweile gibt es in vielen Metropolen ganze Stadtteile, in denen es als unhöflich gilt, abends ohne ein Bier in der Hand unterwegs zu sein.

Es ist eine neue Art Nachbarschaftsstreit

Es begann in Berlin, München und Köln - und schwappte danach in die Provinzen, mittlerweile haben auch Darmstadt und Magdeburg öffentliche Trink- und Partyzonen. Und die dazugehörigen Konflikte, es ist eine neue Art Nachbarschaftsstreit: Für die einen ist es die große urbane Freiheit, ein bisschen südeuropäische Lebensfreude im früher so steifen Land. Für die anderen sind es hauptsächlich Lärm und Erbrochenes vor der Haustür. Die Ideen, mit denen die Städte versuchen, der Lärmprobleme Herr zu werden, versorgen Doktoranden der Stadtsoziologie auf Jahre mit Themennachschub.

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:Mit Pantomime gegen Partylärm

Schön, dass die Welt nach Berlin kommt - aber muss sie so laut sein? Nun sollen Pantomime-Künstler die Feiernden zum Schweigen bringen.

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In Freiburg hatte die Stadtverwaltung zeitweise eine alkoholfreie Zone ausgerufen. Auf dem Münchner Gärtnerplatz sind "Konfliktvermittler" am Werk - Sozialarbeiter, die versuchen, das feiernde Volk argumentativ davon zu überzeugen, ein bisschen Rücksicht zu nehmen. Im Berliner Kiez um die Simon-Dach-Straße wird selbiges Ziel selbstverständlich künstlerisch verfolgt, weiß geschminkte Pantomimen halten den Finger vor den Mund. Oft sind es Kommunalpolitiker der Grünen, die in den Großstädten zwischen Altbaubewohnern und trinkenden Studenten vermitteln müssen - zwischen Gruppen also, die eigentlich beide zur engeren Klientel der Partei zählen. Die einen sind bürgerlich geworden und wollen ihre Ruhe. Die anderen feiern und sagen: Zieht doch aufs Land.

In Köln versucht der grüne Bezirksbürgermeister Andreas Hupke seit sechs Jahren den Interessenausgleich. Es gab unzählige runde Tische und Kehrmaschinen, die die Feiernden vom Platz fegten. Es wurden Toiletten aufgestellt und die Öffnungszeiten der Büdchen eingeschränkt. Mitarbeiter des Ordnungsamtes wurden losgeschickt und so oft angepöbelt, dass sie dienstunfähig wurden. Die Anwohner versuchen es nun mit einem privaten Sicherheitsdienst, der letztlich auch nur die Polizei rufen darf.

Bürgermeister Hupke befürchtet eine "Eskalation der ohnehin angespannten Situation". Aufgeben will er aber noch nicht, er setzt auf speziell ausgebildete Vollzeitstreitschlichter. "Das ist letztlich ein ganz neues Berufsbild", sagt er. Bedarf gibt es in Deutschland genug.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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