Klimawandel:Im Zeichen des Hundssterns

Eine Hitzewelle belegt noch keinen Klimawandel, aber die Menschen müssen sich auf ihn einstellen, auch wenn das bedeutet lieb gewordene Ansiedlungs- und Wirtschaftsgewohnheiten aufzugeben.

Wolfgang Roth

(SZ vom 17.7.2003) - Noch ist die Zeit nicht gekommen, da der Hundsstern Sirius mit der Sonne aufgeht, aber Hundstage haben die Menschen in Mittel- und Südeuropa längst erlebt.

Der Juni brach, zumal in Deutschland, so manchen Hitzerekord, und auch im Juli schickt die Sonne so viel Energie zur Erde, dass der Asphalt schmilzt und am Matterhorn gewaltige Steinmassen zu Tal sausen. Dies sind die Tage, an denen nach dem Glauben der Vorväter viel Unbill droht, weshalb das Baden und der Aderlass zu meiden waren.

Eindeutige Tendenz

Heute fragen die Menschen bang, ob sie schon mitten drin seien im gefürchteten Klimawandel.

Die Wissenschaftler sagen daraufhin immer dasselbe: Dass kein Wetterereignis für sich genommen den Rückschluss auf das langfristige Klimageschehen erlaube, keine "Jahrhundertflut", auch kein besonders heißer Sommer.

Trost ist das nicht, weil die Tendenz eindeutig ist. Die neun wärmsten Jahre seit Beginn der direkten Temperaturmessung wurden nach 1980 registriert.

Zunahme extremer Wetterlagen

Im Südwesten Deutschlands wird es immer feuchter, im Osten immer trockener. Allgemein werden die Winter milder, die langanhaltende Frostperiode zu Beginn des Jahres erscheint da nur als Ausreißer.

Auf der ganzen Welt nehmen extreme Wetterlagen zu, was auf dem europäischen Kontinent vor allem bedeutet, dass sich von Westen oder Süden her starke Gewitter aufbauen, die in kurzer Zeit so viel Wasser freisetzen wie sonst in einem ganzen Monat.

Kein Wunder: Je wärmer die Luft, desto mehr Flüssigkeit verdunstet und geht wieder auf die Erde nieder - manchmal Tod und Verderben bringend wie am Mittwoch an der südfranzösischen Atlantikküste.

Anpassung tut not

Ändern lässt sich das nicht, nicht mehr, nicht in zehn, nicht in fünfzig Jahren. Wer in größeren Zeiträumen denkt und wie das Gros der globalen Klimaforscher den menschlichen Einfluss auf das Klima für sehr wahrscheinlich hält, der kann an Besserung glauben.

Derzeit ist sie nicht in Sicht, weil die Nationen insgesamt immer noch mehr Treibhausgase freisetzen. Die bleiben der Atmosphäre lange erhalten, egal, was die Menschlein unten treiben.

Eines aber ist unabweisbar und muss alle einen - diejenigen, die einen von Menschen erzeugten Klimawandel erkennen und ihre an der Peripherie der Wissenschaft angesiedelten Kritiker: Anpassung auf und Vorsorge gegen die sich verändernden Lebensbedingungen sind nötig, je nach den spezifischen Bedingungen der jeweiligen Region.

Das nächste Hochwasser kommt bestimmt

Für die Deutschen und ihre Nachbarn heißt das auch: Anpassung an Hochwasser. Das mutet paradox an angesichts all der Dürre auf den Feldern, der akuten Waldbrandgefahr und den sinkenden Flusspegeln, die die schweren Lastkähne an Rhein und Donau auf die Liegeplätze verbannen.

Es kann aber ziemlich schnell gehen, wenn nur ungünstige Komponenten zusammenwirken; wenn nicht der ersehnte, sanfte Dauerregen niedergeht, sondern die Wolkenbrüche sich auf Steillagen konzentrieren, wo das Wasser nicht die Zeit hat, ins Erdreich einzudringen, und zügig nach unten fließt; wenn der Strom auf bebaute, verdichtete, intensiv bewirtschaftete Flächen sich ergießt, die ihm wenig nehmen können von seiner Wucht und seiner Kraft.

Hitze und Flut, Flut und Hitze, sie kommen sich näher. Das meinen die Meteorologen, wenn sie von der Zunahme extremer Wetterlagen sprechen. Da nicken die kühlen Rechner in den Versicherungsgesellschaften und machen ernste Gesichter.

Bauern müssen sich umstellen

Anpassung heißt, sich auf das Unvermeidliche einzustellen. Im Hochwasserschutz ist das eine mühsame, schmerzhafte Angelegenheit, weil sich jahrhundertelange Ansiedlungsprozesse und jahrzehntelange Wirtschaftsgewohnheiten nicht so schnell ändern lassen.

Anpassung wird aber auch der Landwirtschaft abverlangt: Die je nach Region auftretenden Klima-Verschiebungen werden den Anbau mancher Nutzpflanzen unrentabel machen und die Umstellung auf andere Sorten erzwingen. Das nämlich gilt, wenn die Tage des Sirius lange vorbei sind: Wer sich nicht anpasst, steht unter keinem guten Stern.

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