Kirche:Woelki will verhindern, dass sich die Konfessionen zu sehr annähern

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Rainer Maria Woelki liebt deutliche Worte und Gesten. 2016 feierte er vor dem Kölner Dom eine Messe, bei der ihm ein Flüchtlingsboot als Altar diente. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Dem Kölner Kardinal zufolge gibt es zwischen Katholiken und Protestanten eine '"ethische Grunddifferenz". Woelki torpediert den Ökumene-Kurs des Münchners Reinhard Marx.

Von Matthias Drobinski, München

Die größte Überraschung des Reformationsjubiläums 2017 ist, so heißt es, wie gut die Katholiken und Protestanten miteinander auskommen, 500 Jahre nach der Kirchenspaltung. Man feiert ein gemeinsames Christusfest, führende Repräsentanten beider Konfessionen sind ins Heilige Land gepilgert, haben die gegenseitigen Verurteilungen von einst bereut und bedauert und gefeiert, dass sie nun so viel verbindet.

Der katholische Bischofskonferenzvorsitzende Kardinal Reinhard Marx und Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, wollten aber noch mehr: Am Ende des Jahres sollten evangelische Christen aus gemischt konfessionellen Paaren fallweise zur katholischen Kommunion zugelassen werden - ein kleiner Schritt, aber ein Zeichen, dass sich etwas bewegt in der Ökumene. Mit Rom schien die Sache geklärt: Er erwarte "noch in diesem Jahr konkrete Fortschritte", sagte im April Kardinal Walter Kasper, einst "Ökumene-Minister" der Kurie und nun einer der Lieblingstheologen von Papst Franziskus.

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Doch daraus wird wohl nichts - was ein Missklang in der Harmonie des Reformationsjahres ist. Das liegt diesmal nicht an den hartleibigen Verhinderern in Rom, sondern daran, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland sich nicht einigen können. Die treffen sich von Montagabend an zur Herbstversammlung in Fulda - und am Dienstag, wenn die 68 Bischöfe und Weihbischöfe die Arbeit aufnehmen, erscheint in der Fachzeitschrift Herder-Korrespondenz ein Rundumschlag gegen die Ökumeneseligkeit und die Zulassung von Protestanten zur Eucharistie. Der Text liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Sein Autor: der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof des größten deutschen Bistums - und zunehmend Antipode des Bischofskonferenzvorsitzenden Marx.

Bei aller Freude über die gegenseitige Wertschätzung solle man nicht die Probleme in der Ökumene verschweigen, schreibt Woelki. So gebe es einen "zunehmenden Dissens in moral- und sozialethischen Fragen", bei der Bioethik, der "Ehe für alle", der "Beurteilung von Abtreibung, Sterbehilfe oder Scheidung" - so sehr, dass man "ehrlicherweise von einer ethischen Grunddifferenz zwischen beiden Konfessionen reden" müsse.

Woelki stört, dass die evangelische Kirche sich als "Konfession der Freiheit" darstelle - gegen die katholische Kirche, die dann als unfrei und rückständig erscheine und den Evangelischen entgegenzukommen habe. Dabei habe Luther den absoluten Gottesgehorsam gepredigt, "nicht die Freiheit autonomer Selbstbestimmung". Er, Woelki, bezweifle "angesichts der vielen Spaltungen des Protestantismus", dass "sich auf Luthers sola scriptura (allein die Schrift) eine Bekenntniseinheit gründen" lasse - es brauche eben doch Papst und Lehramt für diese Einheit.

Und warum sollten nicht auch die Evangelischen den Katholiken entgegenkommen, in der Definition des Messopfers, des Priestertums, des Bischofsamtes? Gegenwärtig sei eine gegenseitige Einladung zu Eucharistie und Abendmahl unehrlich. Auch Martin Luther würde, so vermutet der Kardinal, "die Katholiken erst dann zur gemeinsamen Feier des Abendmahls einladen", wenn es wirklich ein gemeinsames Bekenntnis gebe.

Der Beitrag gewinnt dadurch an Bedeutung, dass hier nicht ein einzelner Ökumene-Frustrierter sich seinen Zorn von der Seele schreibt (aus dem Erzbistum Köln heißt es, Woelki begrenze sein Ökumene-Engagement auf das Notwendige). Der Kölner Kardinal fasst zusammen, was jene Bischöfe denken, denen die Harmonie zum Reformationsjahr zu weit geht, sich dies aber nicht so zugespitzt zu formulieren trauen: Man darf der positiven Schlagzeilen wegen das eigene Glaubensgut nicht verwässern. Sieben der 27 Diözesanbischöfe seien gegen die Einladung ausgewählter Protestanten zur Kommunion, heißt es. Nachdem sich nun Woelki so offen zum Sprecher dieser Minderheit gemacht hat, dürfte es vorbei sein mit dem ökumenischen Zeichen: Das Statut der Bischofskonferenz verlangt Einstimmigkeit bei Beschlüssen, die kirchliche Lehrfragen betreffen.

So stur Woelki in Glaubensfragen ist, so entschieden agiert er zugunsten von Flüchtlingen

Eine Niederlage für den Konferenzvorsitzenden Marx, die auch die zunehmende Konkurrenz der beiden bedeutendsten katholischen Kirchenmänner in Deutschland sichtbar werden lässt, die sich menschlich miteinander schwertun, die aber auch unterschiedliche Vorstellungen haben, wie ihre Kirche sich positionieren soll. Die Differenz liegt quer zu den üblichen politischen Kategorien.

In der Flüchtlingsfrage überholt Woelki Marx ziemlich weit links: Er ließ vor seinem Dom ein Flüchtlingsboot zum Altar werden, ließ den Dom verdunkeln, wenn dort Pegida demonstrierte, fand den Münchner Amtsbruder zu kompromissbereit, als der sich mit Bayerns Ministerpräsident Seehofer traf. Bei den Glaubensfragen aber ist Woelki nicht weniger stur: Was man für wahr erkannt hat, kann nicht einfach Verhandlungssache werden.

So werden sich die Bischöfe in Fulda einig sein in ihrer Besorgnis angesichts des Einzugs der AfD in den Bundestag, sie werden gemeinsam des Papstes Umwelt-Enzyklika " Laudato si" loben, mit der sie sich schwerpunktmäßig beschäftigen. Sie werden einen Stellvertreter des Vorsitzenden Marx wählen, der, so viel ist sicher, garantiert nicht Woelki heißen wird; der Kölner vermeidet es, wichtigere Aufgaben in der Bischofskonferenz zu übernehmen. Zum Thema Ökumene wird es wohl keine Beschlüsse geben. Was den meisten evangelisch-katholischen Paaren egal sein kann: Seit Jahren halten sich die meisten Pfarrer nicht mehr an das Kommunion-Verbot.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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