Kino:Lockruf des Goldes

Deutsche Regisseure sind in Hollywood gefragt, allerdings nicht wegen ihrer cineastischen Visionen, sondern wegen ihres soliden Handwerks. Das eigenständige Profil der Autoren geht dabei aber leicht verloren.

Fritz Göttler

Der Auftritt war richtig cool, soweit man an einem solchen Abend, der Oscar-Verleihung im Februar, als Betroffener überhaupt cool sein kann. Wenn das Ersehnte eintritt, und man auf die Bühne des Kodak Theatre in Los Angeles muss, um den Academy Award, den Oscar, für den besten nicht englischsprachigen Film entgegenzunehmen. Man sah Florian Henckel von Donnersmarck den Stress der wochenlangen Ochsentour noch ein wenig an, auf der er seinen Film "Das Leben der Anderen" in den Städten der USA vorgestellt hatte. Aber man merkte auch, dass er die Entscheidung für seinen Film voll in Ordnung fand.

Florian Henckel von Donnersmarck, Oscar, dpa

Stolz mit Oscar: Florian Henckel von Donnersmarck bei der Academy-Award- Verleihung im Februar.

(Foto: Foto: dpa)

Noch cooler dann sein Auftritt danach auf einer Feier, als er den Journalisten und Fotografen im Auditorium die goldene Statuette triumphierend entgegenstreckte - die andere Hand war lässig in die Hosentasche gesteckt. "Mir kam es so vor, als ob mein Leben da erst echt geworden wäre", erklärt er mit seltsamer Logik. Ein Frühlingsmärchen gewissermaßen, von dem man in Deutschland emotional durchaus einige Wochen zehrte.

Filmemacher von Donnersmarck: der neue Global Player

Der Erfolg war irgendwie programmiert, jedenfalls in den Augen des Filmemachers. Seine Selbstsicherheit, seine Kompromisslosigkeit haben der verunsicherten Filmbranche hierzulande kräftigen Auftrieb gegeben. Diese arbeitet sich ab zwischen steigenden Produktionskosten, zurückgehenden Erlösen an den Kinokassen, neuen Förderkonzepten, DVD-Konkurrenz, Raubkopierkriminalität und einer Ratlosigkeit darüber, was das Zielpublikum nun eigentlich will.

Der Filmemacher Donnersmarck kommt äußerlich daher, wie man sich einen deutschen Wirtschaftsmanager vorstellen mag. Wenn er dann aber zu sprechen anfängt, merkt man, wie gut er Bescheid weiß in Geschichte, Kultur- und Kinogeschichte, und wie genau er weiß, was er mit seinen Filmen will. Und wie passioniert er bei seiner Sache ist. Das ist nicht das intellektuelle, vergrübelte, zögerliche Deutschland, hier präsentiert sich die Berliner Republik, der neue Global Player auch im Kinogeschäft.

Ein kleiner Epochenwandel also. Made in Germany zählt wieder, deutsche Wertarbeit wird offenbar im amerikanischen Kino wieder ernst genommen - man kann mit ihr rechnen. Ein halbes Dutzend junger deutscher Filmemacher sind zurzeit ins amerikanische Produktionsgeschäft integriert, drei haben im Sommer 2007 ihren ersten US-Film in die Kinos gebracht. Das ist nicht sensationell und sicher kein Hype, aber man kann es als ein Signal nehmen.

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Lockruf des Goldes

Der Druck aus Hollywood

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Oliver Hirschbiegel wurde für seinen Hitler-Bunker-Film "Der Untergang" bewundert und hat nun den Science-Fiction-Thriller "Invasion" mit Nicole Kidman und Daniel Craig gemacht; Mennan Yapo hat nach seinem Profikiller-Film "Lautlos" von Sandra Bullock das Angebot bekommen, mit ihr den Psychothriller "Premonition/Die Vorahnung" zu drehen; Marco Kreuzpaintner wurde von Roland Emmerich, neben Wolfgang Petersen einer der wenigen Deutschen der vorigen Generation, die sich erfolgreich in Hollywood etablieren konnten, persönlich verpflichtet und hat "Trade" gemacht, über Mädchenschmuggel im mexikanisch-amerikanischen Grenzland. Zudem dreht Christian Alvart ("Antikörper") gerade seinen Horrorfilm "Case 39" mit Renée Zellweger; Sandra Nettelbeck, deren "Bella Martha" mit Catherine Zeta-Jones in Amerika neuverfilmt wurde, arbeitet an dem Film "Helen" mit Ashley Judd.

Sie alle sind nicht als "Filmautoren" eingekauft worden, ihrer Visionen wegen (so wie das vor 25 Jahren war, als Coppola Wenders nach Hollywood holte), sondern ihres handwerklichen Könnens - und der womöglich wichtigsten Fähigkeit wegen: sich in einen hochkomplexen, unberechenbaren Prozess zu integrieren, ohne Schaden am Ego.

Die Rechnung ist simpel, wenn man Mennan Yapo glauben darf, dem gesagt wurde: "Du hast 'Lautlos', einen Film für drei Millionen gemacht, der wie 20 Millionen aussieht. Wir geben dir 20 Millionen, und erwarten einen Film, der nach 50 Millionen aussieht." Arbeiten im amerikanischen Kino, das bedeutet mehr oder weniger Druck von außen, von Produzenten, Gewerkschaften, Moral- und Geschmacksinstanzen.

Hirschbiegels "Invasion", durchaus als Parabel auf das seelenlose Bush-Amerika angelegt, wurde von den "Matrix"-Brüdern Wachowski mit Action aufgemöbelt und floppte böse. Die "Vorahnung" schlug sich beachtlich, "Trade" wurde von der Kritik zerpflückt, "Invasion" war am Box Office eine Katastrophe.

Dass die Regisseure Ausländer sind, sieht man den Filmen nicht ohne weiteres an. Caroline Link, deren "Nirgendwo in Afrika" 2003 den Oscar bekam, zog die Konsequenz. Ein paar Jahre lang hatte sie sich bemüht, in den USA die Verfilmung von Scott Campbells Roman "Aftermath" nach ihren Vorstellungen hinzukriegen - es klappte einfach nicht. Nun dreht sie den Film in München. "Ich dachte immer", sagt Link, "wenn man einen Oscar gewinnt, muss man einen Film in Amerika drehen. . ."

Auch Donnersmarck, der Perfektionist mit dem Auge für jedes Detail, der Mann mit dem großen Ego, steht nun vor dem Problem. Fürs Erste ist er mit der Familie nach Los Angeles übergesiedelt. Hollywood setzt auf ihn, das bedeutet Druck. Sydney Pollack hat zudem die Rechte für "Das Leben der Anderen" gekauft, er will ein amerikanisches Remake des Films drehen. Vor ein paar Jahren hatte er Tom Tykwer zu seiner ersten internationalen Produktion verholfen: "Heaven". Tykwer arbeitet durchaus international, zuletzt bei der Großproduktion "Das Parfum", aber er bleibt in Deutschland. Zurzeit dreht er in Babelsberg den Interpol-Thriller "The International" mit Clive Owen und Naomi Watts.

Das ist die Gegenbewegung zu den Deutschen in Hollywood: Amerikaner, die nach Deutschland kommen, um von den Fördermaßnahmen hier mit ein paar Millionen zu profitieren. Bleibt abzuwarten, wie groß die Abschleifspuren bei diesem wechselseitigen Austausch sind, wie viel die Projekte hier und drüben an ursprünglicher Kraft und Profil verlieren.

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