Katholische Kirche:Benedikt gegen Franziskus

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Papst Franziskus (l.) und sein zurückgetretener Vorgänger Benedikt XVI. (r.) bei der Feier des 65. Priesterjubiläums von Benedikt im Apostolischen Palast im Vatikan im Juni 2016.

(Foto: imago/epd)

Der alte Papst hat eine wohlkalkulierte Grabrede für Kardinal Meisner entworfen. Sie ist zugleich eine Warnung an Benedikts Nachfolger Franziskus: Verrate mein Erbe nicht.

Kommentar von Matthias Drobinski

Es ist doch nur ein Grußwort, könnte man sagen. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. und der verstorbene Kardinal Joachim Meisner kannten sich ein halbes Leben lang, sie teilten die Sorge, dass die katholische Kirche dem Zeitgeist Tür und Tor öffnen könnte. Warum also sollte Benedikt nicht aus seiner römischen Klause heraus dem toten Amtsbruder einen letzten Gruß schicken, warmherzig und persönlich formuliert?

Die Worte aber, die Benedikt gewählt hat, zeigen: Dem alten Papst geht es nicht um ein paar warme Sätze am Sarg des Freundes. Das Grußwort ist ein Programm. Benedikt spricht von der "Diktatur des Zeitgeistes", der Kardinal Meisner widerstanden habe; er vergleicht den Zustand der katholischen Kirche mit einem Schiff im Sturm, das "schon fast zum Kentern angefüllt ist".

So hat Joseph Ratzinger schon einmal geredet: im Petersdom, am 18. April 2005, dem Tag, bevor die Kardinäle ihn zum Papst wählten. Es war eine so glänzende wie pessimistische Rede. Im Sturm der Gottlosigkeit und des Relativismus helfe es der katholischen Kirche nur, die Bordwände höher zu ziehen, die Luken zu schließen und die Schotten zu dichten.

Der alte Papst wählte seine Worte für Kardinal Meisner mit Bedacht

2005 glaubten viele Kardinäle, dies sei zukunftsweisend - und wählten Joseph Ratzinger. 2013, nach seinem Rücktritt, befanden viele Kardinäle, dass dieser Weg in die Krise geführt habe - und machten den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zu Papst Franziskus.

Der sieht seitdem seine Aufgabe darin, die Luken des Schiffs wieder zu öffnen und die Abschottungen aufzubrechen, auch auf die Gefahr hin, dass mal eine Welle Zeitgeist über die Bordwand schwappt. Benedikts Grabrede ist ein Statement gegen diesen Kurs. Und auch, wenn der Mann 90 Jahre alt ist: Er ist wach und intelligent und hat gewusst, was er seinem Sekretär Georg Gänswein aufschrieb, damit der es in Köln vortrage.

Sein Adressat ist Papst Franziskus, seine Botschaft eine Warnung: Verrate mein Erbe nicht. Gerade erst hat Franziskus Kardinal Gerhard Ludwig Müller ziemlich harsch entlassen, den noch von Benedikt eingesetzten Präfekten der Glaubenskongregation - da klingt diese Warnung besonders laut. Müller und der vom Papst zum Rücktritt gedrängte Limburger Ex-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst saßen unter den Trauergästen; sie dürften innerlich kopfnickend zugehört haben.

Die Gläubigen im Kölner Dom haben Benedikts Worten applaudiert, beim Grußwort des amtierenden Papstes blieben sie stumm - manche sicher, weil der alte Papst sich mehr Mühe gemacht hatte als der neue, dessen Text auffällig nichtssagend blieb. Viele der überwiegend konservativen Katholiken aber, die im Dom Kardinal Meisner die letzte Ehre erwiesen, dürften gedacht haben: Hier redet der richtige Papst - und dann gibt es noch den neuen, den ein Irrtum der Geschichte nach Rom gebracht hat. Wer immer dachte, die Katholiken hielten durchweg Kirchenreformen für notwendig, der konnte bei Meisners Begräbnis sehen: Er irrt. Die Auseinandersetzung hat gerade erst begonnen.

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