Kassel:Neonazis halten Mann sieben Tage lang gefangen

  • Ein 46-jähriger Mann soll in Kassel eine Woche lang in einer Wohnung festgehalten und misshandelt worden sein.
  • Zwei Verdächtige wurden festgenommen. Bei einem der beiden handelt es sich um einen Neonazi, der als Zeuge im NSU-Prozess aussagen sollte.

Opfer konnte nach sieben Tagen entkommen

Angehörige der Kasseler Neonazi-Szene sollen einen Mann eine Woche lang in einer Wohnung festgehalten und misshandelt haben. Unter den Verdächtigen befinde sich Medienberichten zufolge der 40-jährige Neonazi Bernd T., der als Zeuge im Münchner NSU-Prozess auftrat. Ihm und einem 27-Jährigen würden gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Diebstahl vorgeworfen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die beiden wurden in Untersuchungshaft genommen.

Bernd T. ist Gründer und Chef des rechtsextremen Vereins "Sturm Cassel 18". Er wurde mehrfach wegen Gewaltaten und einem Tötungsdelikt verurteilt. Vor Gericht trat er demonstrativ in Neonazi-Kluft mit schwarzen Stiefeln, Militärhose und Bomberjacke auf.

Über das Motiv der Tat in der ersten Aprilhälfte gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse. Spiegel Online zufolge wollten Bernd T. und sein Komplize das Opfer zwingen, ihrem rechtsradikalen Verein beizutreten.

Dem 46-jährigen Opfer sei der Kopf geschoren worden und ihm seien Mobiltelefon und Rucksack gestohlen worden. Außerdem soll der Mann geschlagen und getreten worden sein. Das Opfer erlitt den Angaben zufolge Prellungen und einen Rippenbruch. Nach sieben Tagen habe er entkommen können. Ermittelt wird außerdem gegen drei weitere Personen. Es soll sich dabei um einen Mann und zwei Frauen handeln.

Neonazi hätte vor einer Woche im NSU-Prozess aussagen sollen

Bernd T. hätte vor etwa einer Woche zum zweiten Mal als Zeuge im Prozess gegen die rechte Terrorzelle NSU aussagen sollen. Er ließ das Oberlandesgericht München aber wissen, dass er krank sei und ohnehin nichts zur Sache aussagen wolle.

In dem Verfahren in München muss sich Beate Zschäpe verantworten, ihr wird die Beteiligung an einer Serie von zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen zur Last gelegt. Bernd T. sollte über Kontakte von Neonazis aus Kassel zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) aussagen. Eines der NSU-Opfer ist der 2006 in Kassel erschossene Inhaber eines Internetcafés, Halit Yozgat. Als der NSU im November 2011 aufflog, hatte Bernd T. aus dem Gefängnis heraus Andeutungen gemacht, er könne Informationen über die Terrorzelle liefern. Er erhoffte sich dadurch möglicherweise Hafterleichterungen. Vor Gericht zog er seine Aussagen später zurück und behauptete, er kenne Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nicht.

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