Kaschmir:Erdbebenopfer prügeln sich um Lebensmittel

Nach dem Erdbeben in Pakistan verläuft die Versorgung der Bedürftigen weit langsamer als erhofft. In der entlegenen Region sind inzwischen sogar Maultiere im Einsatz.

Manuela Kessler

Am Donnerstag kam es zu Prügeleien, als fünf Tage nach der Katastrophe Hilfslieferungen in den größeren Ortschaften am Fuß des Himalaja eintrafen.

Kaschmir: Ein Bedürftiger erhält eine Ration Reis.

Ein Bedürftiger erhält eine Ration Reis.

(Foto: Foto: Reuters)

Zwar sind die wichtigsten Straßen inzwischen geräumt, doch verlief die Versorgung der Bedürftigen laut Jan Vandemoortele, dem UN-Koordinator in Pakistan, weit langsamer als erhofft.

Breite Lastwagen mit Spendengütern verstopften die schmalen Bergstraßen, auf denen selbst Personenwagen mancherorts kaum aneinander vorbeikommen. Die pakistanische Armee, die inzwischen 50.000 Soldaten im Einsatz hat, griff auf Maultiere zurück, um Hilfsgüter in entlegene Bergdörfer zu transportieren.

Amerikanische und deutsche Hubschrauber im Einsatz

Weitere Rettungskräfte bemühten sich, die Engpässe zu überbrücken. Amerikanische und deutsche Hubschrauber wurden eingesetzt, um Zelte, Decken, Nahrung und Medikamente in das Krisengebiet zu transportieren sowie weitere Helfer in das Katastrophengebiet zu bringen.

Nach neuesten Angaben der pakistanischen Regierung sind durch das Erdbeben etwa 25.000 Menschen gestorben. Wie das Missionsärztliche Institut am Donnerstag in Würzburg mitteilte, rechnen Hilfsorganisationen inzwischen allerdings mit bis zu 100.000 Toten. Die Organisation berief sich auf einen Mitarbeiter in Pakistan.

Die Kinderhilfsorganisation Unicef rechnet nach eigenen Angaben damit, dass bis zu vier Millionen Menschen obdachlos geworden sind. Unter den Überlebenden löste am Donnerstagmorgen ein Nachbeben neue Panik aus. Berichte über die Schäden lagen zunächst nicht vor. Bereits in den Tagen zuvor hatte es Nachbeben gegeben.

Bevorstehender Winter

Unter weiteren Druck setzt die Hilfsorganisationen der bevorstehende Winter. In der Nacht zum Donnerstag schneite es in den Bergen um Muzaffarabad, früher Hauptstadt des pakistanischen Teils von Kaschmir.

Der Leichengeruch hing so schwer über der einst 125.000 Einwohner zählenden Stadt, dass er pakistanischen Reportern zufolge ohne Nasenschutz kaum auszuhalten war. Inzwischen besteht akute Seuchengefahr. Ärzte und Hilfsorganisationen warnten insbesondere vor Lungenentzündung und Tuberkulose, Cholera und Durchfall.

Pakistans Präsident Pervez Musharraf drückte am Mittwochabend "tiefes Bedauern" über die unzureichenden Rettungsmaßnahmen aus. Die Naturkatastrophe habe die Möglichkeiten seiner Regierung gesprengt, erklärte er in einer Fernsehansprache an die Nation.

Er bedankte sich bei der Weltgemeinschaft und besonders bei Indien für die zugesagte Hilfe von 490 Millionen Euro. Die Regierung in Islamabad hatte in der Not das indische Angebot angenommen, Hilfsgüter zu liefern, logistische Unterstützung jedoch abgelehnt.

Dementi aus Islamabad

Sie dementierte am Donnerstag aber Berichte, wonach indische Soldaten an der Waffenstillstandslinie geholfen hätten, einen pakistanischen Bunker instand zu setzen.

Der Chefkoordinator der UN-Katastrophenhilfe, Jan Egeland, der Muzaffarabad am Donnerstag besuchte, forderte Pakistan und Indien auf, ihren Konflikt um Kaschmir hinter sich zu lassen und bei der Bewältigung der Katastrophe zusammenzuarbeiten.

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