"Kannibale von Rotenburg":Ein unvorstellbares Verlangen

In Kassel beginnt der Prozess gegen einen 42 Jahre alten Computerspezialisten, der einen Mann vor laufender Kamera erstochen und Teile der Leiche gegessen haben soll.

Von Hans Holzhaider

Vor dem Landgericht Kassel beginnt an diesem Mittwoch der Prozess gegen den 42-jährigen Armin M., der als "Kannibale von Rotenburg" eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Armin M. soll am 9. März 2001 in Rotenburg an der Fulda dem ebenfalls 42 Jahre alten Bernd Jürgen B. aus Berlin das Geschlechtsteil abgeschnitten und ihn dann getötet haben, um dessen Fleisch zu essen. Sowohl die Verstümmelung wie die Tötung seien mit dem Einverständnis und auf ausdrücklichen Wunsch des Opfers geschehen, hat Armin M. den Ermittlern erzählt. Täter und Opfer hatten sich per Internet kennen gelernt.

Details in der Öffentlichkeit

Die interessierte Öffentlichkeit konnte sich schon lange vor dem Prozess sämtliche Einzelheiten des bizarren Kriminalfalls zu Gemüte führen. Der Stern versorgte seine Leser im Juli nicht nur mit einer liebevoll ausgeschmückten Schilderung der Tötung und Zerstückelung des Opfers, sondern auch mit allerlei Details über die von Armin M. bevorzugten Zubereitungsarten des zuvor portionsweise eingefrorenen Menschenfleischs.

Der Deutsche Presserat sprach der Illustrierten deshalb eine Missbilligung aus. Angesichts des ungebremsten Mitteilungsdrangs, den der Angeklagte und sein Anwalt zeigen, wird es allerdings für keinen der aus dem In- und Ausland anreisenden Journalisten leicht werden, über den Prozess zu berichten, ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu verletzen.

Mord oder Tötung auf Verlangen

Spannend ist dagegen die Frage, wie das Gericht die Tat juristisch bewertet. Die Staatsanwaltschaft hat Armin M. wegen Mordes angeklagt. Sie sieht das Mordmerkmal der Tötung "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" erfüllt. M.s Verteidiger Harald Ermel dagegen hält seinen Mandanten lediglich der Tötung auf Verlangen (Höchststrafe: fünf Jahre) für schuldig. Dieser Tatbestand setzt "das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten" voraus. Das Gericht wird deshalb kaum darum herum kommen, das Video, das Armin M. von der Tat angefertigt hat, zumindest auszugsweise vorzuführen.

Für die Behauptung, Bernd Jürgen B. sei ganz versessen darauf gewesen, sich von M. den Penis abschneiden und anschließend schlachten zu lassen, gibt es schließlich außer dem Angeklagten keinen Zeugen. Kannibalismus als solcher wäre nach deutschem Recht allenfalls als "Störung der Totenruhe" (Höchststrafe drei Jahre) strafbar.

Reue des Angeklagten

Einen Tag vor dem Prozess erschienen in mehreren deutschen Tageszeitungen Ausschnitte aus einem Interview, das der Chefredakteur des Kasseler Sonntagsblatts, Reinhard Heubner, mit Armin M. geführt hat. "Ich wollte den Menschen hinter dem Täter sichtbar machen", begründet Heubner diese für ein kirchliches Blatt eher ungewöhnliche Themenwahl. Armin M. sei ihm als "ganz freundlicher, lebensbejahender Mensch" entgegengekommen, berichtet der Pfarrer und Journalist.

M. habe sich als gläubiger Mensch zu erkennen gegeben, der jeden Sonntag den Gottesdienst besuche. "Er steht zu seiner Tat und bereut sie", sagt Heubner. "Er hat aber auch gesagt, dass er das mit dem Verspeisen immer wieder machen würde. Damit konnte ich nichts anfangen." Als Motiv für seine Tat nennt M. den Todeswunsch seines Freundes und für sich selbst den Wunsch, "dass ich ihn leiblich in die Erinnerung aufnehme". "Es war ihm nichts ernster als das", gibt Pfarrer Heubner seinen Eindruck aus dem Interview wieder.

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