Kandidatur für die Sozialisten:Vicky Leandros am trüben Wasser von Piräus

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Die Schlagersängerin wagt sich in die skandalumwitterte griechische Politik und tritt bei den Kommunalwahlen an.

Christiane Schlötzer

Piräus ist der Hafen der griechischen Metropole Athen, und wie jeder Hafen ist er immer ein wenig schmutzig, jedenfalls kein Platz für zarte Mädchen.

Vicky Leandros, geborene Vassiliky Papathanassiou, für den deutschen Schlager so etwas wie ein ewiges Mädchen, ist zurzeit häufiger in Piräus als in Berlin, wo sie auch wohnt. Die 54-jährige Chansonnière kandidiert am Sonntag bei den Kommunalwahlen in Griechenland für die sozialistische Pasok-Partei.

Beauftragte für Kultur und Internationale Beziehungen will sie werden, sollte es dem Bürgermeisterkandidaten der Pasok gelingen, den Konservativen der Nea Dimokratia (ND) den prestigeträchtigen Bürgermeisterposten von Piräus abzujagen.

Eine Spinne soll aufräumen

Die Kommunalwahlen gelten in ganz Griechenland als erster Stimmungstest für die ND, die Partei des konservativen Regierungschefs Kostas Karamanlis, der das Land erst seit zweieinhalb Jahren regiert.

Karamanlis hatte die sozialistischen Dauerregenten in Athen mit dem Versprechen abgelöst, die griechische Krankheit der fast alles durchdringenden Korruption zu bekämpfen. Nur wenige Griechen glauben, dass dies dem Premier gelungen ist - was aber noch nicht bedeutet, dass die ND den Stimmungstest verlieren wird.

Ein jüngster Korruptionsskandal - um Preisabsprachen in der Lebensmittelbranche - hat zwar, wie kürzlich eine Umfrage der Zeitung Imerisia zeigte, landesweit den knappen Vorsprung der ND vor der Pasok von 2,1 auf 1,6 Prozent reduziert. Aber Griechenland hat sich in den vergangenen Jahren so an Skandale gewöhnt, dass die Erregungskurve eher flach ausfällt.

Überrascht zeigt sich nur hin und wieder die EU. Die Brüssler Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes reiste in der vergangenen Woche nach Athen.

Zuvor war eine bizarre Affäre bekannt geworden: Der Chef der griechischen Wettbewerbsbehörde wurde von der Polizei festgenommen. Er soll versucht haben, einen der griechischen Milchbarone, den Besitzer des Lebensmittelproduzenten Mev-gal, um 2,5 Millionen Euro zu erpressen - im Gegenzug sollte Mevgal angeblich eine zehn mal so hohe Strafe wegen Preisabsprachen erlassen werden.

Affäre um teure Tütenmilch

Oder wollte der Wettbewerbshüter den Milchbaron nur dazu bewegen, gegen andere Sünder aus der eigenen Branche auszusagen? Ein Polizeisprecher sagte der Athens News: ,,Erpressung oder Bestechung - das wird das Gericht entscheiden.''

Die Affäre um teure Tütenmilch (die Milch-Preise in griechischen Supermärkten sind höher als in deutschen) hat alle Ingredienzien einer politisch anrüchigen Melange. Es gibt Freund- und Verwandtschaftsbeziehungen unter den Beteiligten bis hinauf ins Arbeitsministerium. Griechenland ist eben ein kleines Land.

Transparency International platziert Griechenland in seiner Korruptions-Statistik auf Rang 47, gemeinsam mit der Tschechischen Republik, der Slowakei und Namibia. 47, das ist der letzte Platz der Euro-Zone. Premier Karamanlis sah sich veranlasst, sein Plädoyer für ,,Null Toleranz gegenüber Korruption'' jetzt zu wiederholen.

Das Rathaus von Piräus hat bei Kritikern auch nicht gerade den Ruf besonderer Sauberkeit. Aufräumen will dort jetzt ,,Die Spinne''. So lautet der Spitzname von Panagiotis Fasoulas, einem ehemaligen Basketball-Champion. Der 43-jährige Hüne streckt sich nun nach dem Bürgermeistertitel. Die ND hält diesen Posten in Piräus schon seit zwei Amtsperioden, weshalb ein Sieg des ehemaligen Basketballprofis mehr als sportlichen Charakter hätte.

Vicky Leandros - die sich weder in Hamburg noch in Berlin von konservartiven Politikern zu einem Amt verführen lassen wollte - tritt hier zwar für die Pasok an, will aber lieber parteilos bleiben. Ihre Entscheidung, sich überhaupt auf die politische Bühne zu stellen, begründet sie mit ihrer Familiengeschichte.

In den Fußstapfen von Melina Mercouri

,,Mein Großvater Ioannis Protopapas hatte in Piräus die erste Nähseidenfabrik Griechenlands'', sagte sie der deutschsprachigen Griechenland Zeitung. Die Fabriken für Textilien, Papier und Schießpulver gibt es in Piräus schon lange nicht mehr. Viele historische Hallen stehen leer - ein Platz für Kultur, sagen aufgeschlossene Stadtentwickler. Bislang fehlte für große Würfe allerdings das Geld.

Leandros erinnerte im Wahlkampf noch daran, dass ihr Großvater Torwart bei der lokalen Fußballmannschaft Olympiakos war, denn Sport zählt womöglich bei den Bürgern mehr als alte Industriekultur. Und noch etwas verriet die Künstlerin, die auch künftig singen will: Sie werde ,,zwischen Griechenland und Europa pendeln''. Dass Griechen ihr eigenes Land, obwohl seit 25 Jahren Mitglied der EU, bisweilen nicht gleich zu Europa zählen, ist keine Seltenheit.

Schon einmal ist in Piräus eine Künstlerin für die Pasok angetreten, die Schauspielerin Melina Mercouri. Später wurde sie Kultusministerin in Griechenland. Melina sprang für den Film ,,Sonntags Nie'' einst ins Hafenbecken von Piräus. Der Sprung machte sie weltberühmt. Damals war der große Hafen noch wirklich schmutzig.

© SZ vom 14.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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