Kampf gegen Magersucht:Schwere Kost für Magermodels

Ein neues Gesetz in Frankreich soll künftig die Werbung mit zu schlanken Frauen verbieten.

Gerd Kröncke, Paris

Roselyne Bachelot, Ministerin für Gesundheit, Jugend und Sport, ist ein eher sahniger Typ. Leicht zur Fülle neigend, erfüllt sie kaum das Schönheitsideal der Franzosen und gewiss nicht das ihres Chefs Nicolas Sarkozy, der schmale Figuren bevorzugt.

Ana Carolina Reston; AFP

Ana Carolina Reston: starb, als sie nur noch 40 Kilo wog.

(Foto: Foto: AFP)

Wahrscheinlich kämpft sie wie viele Frauen aussichtslos und regelmäßig gegen ein paar überflüssige Pfunde, die von heißer Schokolade herrühren. Für den Glamour jener Models, die sich extrem schlank und schön auf Hochglanz darbieten, ist sie unempfindlich. Im Gegenteil, gemeinsam mit ein paar entschlossenen Frauen versucht sie gegen die Sucht, immer dünner zu werden, vorzugehen.

In Frankreich leiden an die 40.000 Menschen, überwiegend junge Mädchen und Frauen, an Magersucht. In der Nationalversammlung ist diese Woche auf Initiative der Abgeordneten Valérie Boyer und mit Bachelots Unterstützung ein Gesetz beschlossen worden, wonach die Verführung zur Anorexie unter Strafe gestellt wird.

Haut und Knochen

Mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder bis zu 30.000 Euro Geldbuße muss künftig rechnen, "wer andere anstiftet, bis zu einem extremen Grad abzumagern". Die Opposition gab sich genant und enthielt sich der Stimme, weil ihr das Gesetz nicht weit genug geht. Der Senat muss noch zustimmen.

Vielleicht ist das ein Anfang, wenn auch die Grenzen zwischen schlank, dünn und magersüchtig fließend bleiben. Selten war die Unterscheidung so einfach wie in dem Fall, der vor zwei Jahren die Modewelt erschütterte. Als das brasilianische Mannequin Ana Carolina starb, wog es noch vierzig Kilo - bei einer Körpergröße von 1,74 Meter.

Der Schock wurde noch verstärkt, als Isabelle Caro, ein magersüchtiges italienisches Model, sich nackt fotografieren ließ. Die einst so schöne Frau war, wie das in schlechten Zeiten hieß, nur noch Haut und Knochen. Sie hatte sich über Monate von einer Schale Milchkaffee zum Frühstück und einem täglichen Croissant ernährt.

Anorexie als Lifestyle

Ministerin Bachelot beklagte sich in der Parlamentsdebatte, Anorexie sei "als Krankheit noch immer nicht hinreichend anerkannt". Dabei werde bei ihr der Wille zum Leben aufgefressen von einer Todessucht. Als Gegner sieht sie etwa die Betreiber von Webseiten, die sich als "pro-ana" bezeichnen, und auf denen Tipps verbreitet werden, wie junge Mädchen ihren Doktor hintergehen können, oder wie man auskotzt, was man gerade gegessen hat. Auf manchen Webseiten wird Anorexie als Lifestyle verbrämt. "Von der freien Meinungsäußerung ist das nicht gedeckt", sagte Bachelot.

Zuvor hatte sie bereits ein Bündnis mit der Glamour-Welt gesucht. Medien- und Modemacher sowie Vertreter der Werbung unterzeichneten eine Charta gegen Anorexie, in der sie "für eine freie und lebendige Ausdrucksform des Körpers" eintreten und sich gegen "Selbst-Tyrannei durch Magerkeitswahn und Anorexie" verschwören. Freiwillig verpflichten sich die Unterzeichner, Stereotypen zu vermeiden, mit denen die "Bildung eines ästhetischen Archetyps" gefördert werde.

Seit Männer denken können, laufen dünne Frauen über den Laufsteg. Doch in Spanien werden Models neuerdings vor dem Catwalk auf die Waage gestellt. Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld ist stolz darauf, nie Magermodels engagiert zu haben, er legt Wert auf Rundungen. Seine eigene Torheit hat er hinter sich, Anfang des Jahrzehnts nahm er binnen 13 Monaten 40 Kilo ab. Er war vorher einfach fettsüchtig. Aber das ist ein anderes, ebenso trauriges Thema.

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