Kamasutra für Katholiken:Orgasmus von oben

"Guter Sex ist wie Himmelfahrt": Ausgerechnet ein Franziskanerbruder gibt in Polen Tipps für ein erfülltes Sexualleben - solange die Paare verheiratet und tief gläubig sind.

Thomas Urban

In Polen ist Ksawery Knotz inzwischen fast ein Medienstar. Das gefalle ihm gar nicht, sagt der bärtige Franziskanerpater. Für einen Moment verschwindet sogar das Lächeln aus seinem Gesicht, wenn er kommentieren muss, dass er nun der "Kamasutra-Mönch" oder der "Sex-Priester" genannt wird. Der 43-Jährige hat Bücher über Liebe in der Ehe geschrieben, und er arbeitet für die Internetseite "Chance der Begegnung" (www.szansaspotkania.net), ein virtueller Sexratgeber für Ehepaare, den die polnischen Franziskaner eingerichtet haben. Die Tipps des Priesters für ein erfülltes Geschlechtsleben druckt mittlerweile eine Boulevardzeitung, er gibt Seminare und empfängt verzweifelte Eheleute zur Paartherapie.

Kamasutra für Katholiken: Kennt sich aus, zumindest in der Theorie: Pater Ksawery Knotz.

Kennt sich aus, zumindest in der Theorie: Pater Ksawery Knotz.

(Foto: Foto: oh)

Polnische Zeitungen berichten nun häufig von seinen Erfolgen, und zitieren ausgiebig seine Schäfchen: "Seitdem wir bei Pater Ksawery waren, ist meine Frau ein Kanone im Bett", bekräftigte etwa ein nur mit Vornamen genannter Ingenieur. Seine Gattin ergänzt: "Nach 18 Jahren Ehe hatte ich den ersten Orgasmus."

Dem Pater sind die marktschreierischen Erfolgsmeldungen unlieb. Die Leute dächten dann, es ginge nur um Sexualtechniken, sagt er. Ein ausländisches Magazin schrieb sogar, dass Knotz auf Seminaren ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Sex-Trainer" trage - was natürlich frei erfunden war.

Wie viele osteuropäischen Länder ist Polen seit dem Fall des eisernen Vorhangs mit Sexratgebern überschwemmt worden. An jedem Kiosk, an jeder Tankstelle gibt es Sexpostillen, Sexfilme und Präservative; das Privatfernsehen sendet Softpornos. Und der Karriere von Politikern schadet es nicht, wenn sie sexistische Sprüche machen.

Prüde ist die Gesellschaft schon lange nicht mehr. Nur noch vereinzelt wettern konservative Pfarrer von der Kanzel gegen sexuelle Exzesse, doch Untersuchungen des Sozialinstituts der katholischen Kirche belegen, dass die Mehrheit der Polen solche Mahnungen ignoriert. Dies ist wohl ein Grund, warum die Bischöfe den Franziskaner gewähren lassen: Ihm hört man wenigstens zu. Und die Kirchenoberen suchen derzeit vor allem ein Rezept dagegen, dass so viele junge Leute sich von der Religion abwenden.

So darf Pater Ksawery ungehindert Fragen beantworten, die man früher einem Priester nie gestellt hätte. In seinen Kursen und Büchern haben Liebestechniken ebenso Platz wie Ausführungen über die Anatomie von Mann und Frau. Letzteres ist paradox: Sorgte doch gerade die polnische Kirche mit ihrer Opposition gegen den Sexualkundeunterricht dafür, dass dieses Wissen in Schulen zu kurz kommt.

Beten für guten Sex

Der Pater setzt allerdings voraus, dass seine Seminarteilnehmer tief gläubig und miteinander verheiratet sind. Aus seinen Erfahrungen als Seelsorger wisse er, dass gerade diese Menschen oft verklemmt sind. So sagt er zur Eröffnung seiner Kurse ganz direkt: "Die Sexualität ist ein Geschenk Gottes!" Und: "Guter Sex ist wie Himmelfahrt."

Denn für Probleme unter Eheleuten macht er dieselben Ursachen aus wie Psychotherapeuten: Mangel an Kommunikation und Einfühlungsvermögen. Diese Blockaden der Menschen möchte er überwinden helfen. Ein Weg für ihn ist die innere Einkehr: "Ja, wir dürfen den Herrn um guten Sex bitten", sagt er.

Auch ist zu viel Sex für Knotz keine Sünde. Falscher Sex dagegen schon. Es gehe nicht an, dass Männer nicht auf die Bedürfnisse ihrer Frauen eingingen, erklärt er. Sünde sei es auch, sich ohne medizinischen Grund für längere Zeit dem Ehepartner zu verwehren, ohne mit diesem darüber zu sprechen. So sind seine als Sexfibeln angepriesenen Bücher eher Versuche, das Geschlechtsleben des Menschen in den göttlichen Schöpfungsplan einzuordnen.

Knotz geht sogar so weit, Eheleute zum Sex zu motivieren: "Es ist Gottes Wille, dass die Menschen dabei fröhlich sind." Dafür rät er dazu, gegen die Routine im Bett zu kämpfen. Eine romantische Atmosphäre sei wichtig, sagt der Priester, dabei könnten ätherische Öle oder Räucherstäbchen helfen. Ehepartner sollen sich gegenseitig überraschen und verführen - gern mit Erotik-Unterwäsche. Nur auf die Frage nach Instrumenten wie Peitschen und Fesseln reagiert er unwillig und antwortet, dass beide Partner die tiefe Begegnung miteinander anstreben sollten. Dazu gehöre etwa ein langes Vorspiel.

Häufig wird Pater Ksawery gefragt, woher er sein Wissen schöpfe, da er selbst ja das Zölibat einhalte. Er erzählt dann von seiner Erfahrung als Paartherapeut. Auch müsse man nicht alles aus eigener Anschauung kennen: "Auch ein Herzchirurg muss ja keinen Herzinfarkt überlebt haben, um gute Arbeit zu leisten."

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