Justiz:Metallschrott für Millionen

Der Niederländer Robert Driessen hat Giacometti-Skulpturen gefälscht - und deutsche Kunstliebhaber sind darauf reingefallen. Nun hat in Stuttgart der Prozess gegen ihn begonnen.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Einen Giacometti zu machen, sei gar nicht schwer, hat Robert Driessen einmal gesagt. "Lange, dünne Figuren, amorphe, krümelige Oberflächen." Das ist es auch schon. Kein Problem für Driessen, der zeit seines Lebens sein Geld damit verdient hat, das Werk von Künstlern, er würde wohl sagen: fortzuentwickeln. Mehr als tausend Skulpturen soll Robert Driessen unter dem Namen des 1966 gestorbenen Schweizer Bildhauers, Malers und Grafikers Alberto Giacometti gefertigt haben.

Driessen, ein 56-jähriger Niederländer, sieht sich als Künstler wie der weltberühmte Giacometti. Sein Problem: Die deutsche Staatsanwaltschaft sieht ihn als Fälscher, und die mehr als tausend Giacometti-Skulpturen, die er gefertigt hat, hält sie für Metallschrott. Deshalb sitzt Robert Driessen seit einigen Monaten in Stuttgart-Stammheim ein, und deshalb muss er sich seit diesem Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

Am ersten Verhandlungstag zeigte sich Driessen kleinlaut. Der Mann mit der blonden Künstlertolle räumte ein, ihm sei bewusst gewesen, dass seine Fälschungen als Originale verkauft wurden. Er habe die Skulpturen zwar mit den typischen Giacometti-Signaturen versehen und einer Betrügerbande verkauft, aber am Vertrieb sei er nicht beteiligt gewesen. Deshalb habe er auch keine Reichtümer angehäuft durch den Betrug. Er sei "mittellos", ließ er über seinen Anwalt mitteilen.

So bescheiden ist Robert Driessen nicht immer aufgetreten. Vor zwei Jahren legte er gegenüber einem Reporter des Spiegel in Thailand eine Art Lebensbeichte ab. In Asien fühlte er sich unantastbar von der deutschen Justiz, aus sicherer Entfernung wollte er seine Rolle gewürdigt wissen in diesem Betrugsfall, der 2009 aufflog, als die Bande einem verdeckten Ermittler des LKA Baden-Württemberg einen Giacometti für 1,3 Millionen Euro anbot. Und tatsächlich: Die Art und Weise, wie Driessens Giacomettis unter das Volk der Kunstliebhaber gebracht wurden, könnte man durchaus als Gesamtkunstwerk betrachten.

Auf seiner Homepage rühmt er sich als "einer der erfolgreichsten Kunstfälscher der Welt"

Ein Mainzer Antiquitätenhändler strickte die Legende rund um Robert Driessens Werke und legte sie sogar in einem Buch nieder. Der Titel: "Diegos Rache". Der Antiquitätenhändler gab sich darin als Freund von Alberto Giacomettis Bruder Diego aus. Dieser Diego habe ein geheimes Depot mit Werken Albertos angelegt. Die Skulpturen aus dem Depot habe Diego in Griechenland, Frankreich und England verkauft. An der Stelle kommt ein Mann namens "Graf von Waldstein" ins Spiel. Der Graf, der in Wahrheit ein gelernter Lokomotivführer aus dem Osten Deutschlands ist, hatte angeblich jene Werke erworben, und nun biete er sie auf dem deutschen Markt an. Es klingt wie ein schlechter Witz: Vermögende deutsche Kunstliebhaber waren ganz verrückt nach diesen Giacomettis.

Der Antiquitätenhändler und der falsche Graf sind zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, insgesamt gibt es bereits fünf Urteile in dem Fall. Urteil Nummer sechs wird gegen Driessen ergehen. Er war vergangenes Jahr in die Niederlande zurückgekehrt - in der irrigen Annahme, er sei auch dort sicher vor der deutschen Justiz. Laut Anklage geht es um einen Schaden von acht Millionen Euro, 50 weitere Millionen habe die Bande ergaunern wollen. Über das Strafmaß hinaus ist die Frage: In welcher Rolle wird Robert Driessen in die Kunstgeschichtsbücher eingehen?

Die Werke von Alberto Giacometti setzen Abermillionen von Dollars und Euro in Bewegung. Seine Bronzefigur "Zeigender Mann" wechselte im Mai dieses Jahres in New York für mehr als 140 Millionen Dollar den Besitzer, die angeblich teuerste Statue, die jemals versteigert wurde. Schätzungen zufolge hat Giacometti rund 500 Skulpturen hergestellt. Robert Driessen hat offenbar die doppelte Anzahl an Giacomettis erschaffen. 30 bis 40 Minuten habe er für die kleinen Figuren gebraucht, sagte er dem Spiegel. Im Internet ist noch immer seine Homepage zu finden, Robert Driessen rühmt sich darauf als "einer der erfolgreichsten Kunstfälscher der Welt".

Zu Beginn seiner Karriere malte Driessen, er hat zum Beispiel die Bilder deutscher Expressionisten "variiert". Wo diese Werke hängen, weiß niemand so genau.

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