Justiz im Freiburger Fall:Sexualstraftäter: Kaum zu kontrollieren

Bewährungshelfer sollen aufpassen, dass sich Sexualstraftäter wie der 39-Jährige im Freiburger Fall an Auflagen halten. Sie sind jedoch nahezu konstant überfordert.

Von Ronen Steinke

Was bringen gerichtliche Weisungen, wenn man sie nicht kontrollieren kann? Welchen Nutzen hat der erhobene juristische Zeigefinger - zum Beispiel das Verbot für einen Sexualstraftäter, sich Minderjährigen zu nähern -, wenn am Ende niemand da ist, der nachsieht, ob er sich daran hält? Es gibt eine eigenartige juristische Zahnlosigkeit, die sich in dem aktuellen Freiburger Fall offenbart.

Für Kontrollen, ob sich ein Sexualstraftäter an Weisungen der Führungsaufsicht hält, wie es im Paragrafen 68 b des Strafgesetzbuchs heißt, sind Bewährungshelfer verantwortlich. Wer mal einen Tag an der Seite einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers verbracht hat, egal ob in einer kleinen, alten Villa in der Münchner Maxvorstadt oder in einem wuchtigen Hausblock in Berlin-Moabit, ahnt allerdings, wie theoretisch diese Aussage ist. Etwa 80 bis 90 "Probanden" betreuen Bewährungshelfer heute im Schnitt. Zu Spitzenzeiten vor fünf Jahren waren es sogar 110. So spärlich sind die Ressourcen, so wenig politische Priorität genießt die Bewährungshilfe.

Man kann dann erleben, wie rückfallgefährdete Straftäter Platz nehmen vor ihrer Bewährungshelferin. Wie sie sich Ermahnungen anhören, wie sie ihre guten Vorsätze bekräftigen. Nach 20, 30 Minuten verabschiedet man sich freundlich. Bis zum nächsten Monat. "Der Job ist mehr oder weniger zu einem Schreibtischjob geworden", so fasst es Holger Gebert zusammen, der Bundesvorsitzende des größten Berufsverbandes, der Arbeitsgemeinschaft deutscher Bewährungshelfer (ADB).

"Nur bei einer Eins-zu-eins-Betreuung wäre eine Kontrolle überhaupt möglich", sagt Gebert, "das ist natürlich illusorisch." Ein Sprecher des Landgerichts Freiburg, das nun in der Kritik steht, drückt sich ähnlich ehrlich aus: "Der Begriff der ,Führungsaufsicht' ist insofern irreführend, als in der Praxis aufgrund der Vielzahl der zu betreuenden Verfahren eine engere Aufsicht des einzelnen Verurteilten nicht gewährleistet werden kann."

"Menschliche Kontakte kann man nicht verhindern."

Eine andere Möglichkeit zur Überwachung von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern, an die jetzt viele denken, ist die elektronische Fußfessel. Es gibt wahrscheinlich keinen größeren Verfechter dieser Technik in Deutschland als das hessische Justizministerium. Dort sitzen die politischen Vorkämpfer, und Hessen steht auch allen anderen Ländern zur Seite, wenn es um die Technik geht. Aber auch der Sprecher dieses Ministeriums warnt vor überzogenen Erwartungen. Derzeit tragen bundesweit 96 entlassene Kriminelle einen Peilsender, großteils Sexualstraftäter. Damit könne man sie von Schulen oder Spielplätzen fernhalten. "Menschliche Kontakte aber kann man nicht verhindern." Potenzielle Opfer seien überall.

Was also sind Weisungen wie jene wert, mit der das Landgericht Freiburg am 9. Januar 2014 dem Haftentlassenen Christian L. verbot, "zu Personen unter 18 Jahren Kontakt aufzunehmen"? Der Bewährungshelfer Gebert sagt: "Manchmal komme ich mir vor wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Alle wissen, dass solche Weisungen nur Beruhigungstabletten für die Öffentlichkeit sind." Wenn ein Gericht entscheide, dass die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung nicht gegeben seien und ein Täter entlassen werde - dann sei er eben frei.

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