Justiz: Haftbefehl aufgehoben:Welcome - das neue Leben der Nadja Benaissa

Ungetrübte PR: Kurz vor einem Pressetermin der reanimierten Popband No Angels wurde der Haftbefehl gegen die HIV-positive Sängerin Nadja Benaissa aufgehoben.

Astrid Bischof

Sie kam, sah und siegte - irgendwie. Nur kurze Zeit, nachdem Nadja Benaissa, die Sängerin der Gruppe No Angels, stark und selbstbewusst in "Stern TV" aufgetreten war, hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt den Haftbefehl gegen sie aufgehoben.

Justiz: Haftbefehl aufgehoben: Nach der öffentlichen Demütigung will Nadja Benaissa nun offensichtlich wieder positive Schlagzeilen machen. Am Mittwoch plant ihre Band No Angels ihr neues Album "Welcome to the Dance" zu präsentieren.

Nach der öffentlichen Demütigung will Nadja Benaissa nun offensichtlich wieder positive Schlagzeilen machen. Am Mittwoch plant ihre Band No Angels ihr neues Album "Welcome to the Dance" zu präsentieren.

(Foto: Foto: dpa)

Warum, das will der Sprecher der Staatsanwaltschaft nicht sagen. Im April hatte die HIV-positive, heute 27-Jährige noch wegen des Vorwurfs schwerer Körperverletzung zehn Tage in Untersuchungshaft verbringen müssen. Angeblich habe sie mit mehreren Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt, ohne diese über ihre Infektion zu informieren.

Kurz von einem Konzert war Nadja Benaissa verhaftet worden, so dringend war der Tatverdacht gewesen.

Von einer Massivität der Medien berichtete die Künstlerin bei Günther Jauch in "Stern TV". Dass sie tatsächlich HIV-positiv ist, darüber hat sie bei dieser Gelegenheit erstmals gesprochen - und dass sie gegen ihren Willen in einem "Ausnahmezustand" leben müsse, seitdem ihre Infektion durch die Presse bekanntgeworden ist. Dass sie ihrer kleinen Tochter davon habe erzählen müssen, obwohl sie damit gerne gewartet hätte, bis das Kind alt genug sei, um das Ganze zu verstehen.

Und die Sängerin sagte: "Ich kooperiere mit den Behörden und helfe bei der Aufklärung, aber ich darf darüber nicht sprechen. Das ist halt bei einem Verfahren so, dass ich in den Medien darüber nicht sprechen darf."

Neun Tage nach dem TV-Geständnis kam eine Reaktion der Staatsanwaltschaft: "Wir haben keine Veranlassung gesehen, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten, weil Frau Benaissa ihre Auflagen erfüllt hat," so begründet Ger Neuber, Sprecher der Staatsanwalt Damstadt, jetzt die Entscheidung, die No-Angels-Sängerin weiterhin auf freiem Fuß zu lassen und den Haftbefehl aufzuheben. Der war einst erlassen worden, weil angeblich "Wiederholungsgefahr" bestünde.

Dabei hatte die Staatsanwaltschaft Darmstadt selbst kurz nach Ostern in einer offenherzigen Pressemitteilung Intimitäten über eine "26-jährige Sängerin" ausgebreitet, die eine Wiederholung unwahrscheinlich machen. Danach bestand "der dringende Tatverdacht, dass die Beschuldigte in den Jahren 2004 und 2006 ungeschützten Geschlechtsverkehr mit drei Personen hatte, ohne diese zuvor darauf hinzuweisen, dass sie selbst HIV-positiv ist." Das war der öffentliche Pranger durch eine Justiz, die eigentlich die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten zu schützen hat.

Zu Auflagen für Nadja Benaissa rund um die Haftverschonung will Sprecher Neuber keine Angaben machen. Der Justizvertreter bekommt derzeit viele Anfragen - wenn vermutlich auch nicht mehr ganz so viele wie in den Stunden nach der ungewöhnlichen PR-Mitteilung zur Verhaftung.

Nützlicher Fernsehauftritt

Dass Nadja Benaissas öffentliches Geständnis zumindest nicht geschadet hat, das bestreitet die Staatsanwaltschaft nicht: "Es mag eine Rolle gespielt haben, dass sie öffentlich zugegeben hat, dass sie HIV-positiv ist", sagte Neuber am Montag. Darüber, ob es einen Prozess geben wird, sagt die Aufhebung des Haftbefehls nichts aus. "Wir ermitteln weiter ergebnisoffen. Ob es einen Prozess geben wird, das kann ich nicht abschätzen. Ich schließe es nicht aus."

Zunächst müssten Gutachten erstellt werden, so Neuber: Wann diese vorliegen, sei noch völlig offen. Von einer außergerichtlichen Einigung mit dem Mann, der sich beim ungeschützten Sex mit Benaissa tatsächlich mit HIV angesteckt haben könnte, weiß er nichts.

"Mir ist nicht bekannt, ob Frau Benaissa an den Geschädigten Schmerzensgeld gezahlt hat, darum kümmere ich mich nicht. So etwas ist im Rahmen des Zivilrechts möglich. Wir befinden uns mit diesem Fall aber im Bereich des Strafrechts, hier bestimmt das Gericht über die Zahlungen von Schmerzensgeld."

Die Chronologie im Fall Benaissa ist merkwürdig: Entlassung aus der zehntägigen U-Haft im April, TV-Geständnis am Mittwoch, 1. Juli, Aussetzen des Haftbefehls am Freitag, 10. Juli, also neun Tage später.

Umso seltsamer mutet das Ganze an, wenn man bedenkt, dass die No Angels am Mittwoch, 15. Juli, in Berlin ihr neues Album "Welcome to the Dance" vorstellen wollen. "Nach meiner Erkenntnis hat das nichts miteinander zu tun", sagt Staatsanwaltschaftssprecher Neuber. "Ich weiß nichts davon, dass es ein neues Album der Gruppe geben wird - und damit auch nicht, wann dieses vorgestellt werden soll."

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