Justiz entscheidet über Thomas Drach:Reemtsma-Kidnapper plante zweite Entführung

33 Tage dauerte die Entführung von Jan Philipp Reemtsma. Zig Millionen erpresste Thomas Drach einst von der Familie des Multimillionärs. Der Großteil der Beute ist bis heute verschwunden. 2012 sollte er nach 14,5 Jahren aus dem Gefängnis kommen. Doch nun tauchen neue Vorwürfe gegen den Verbrecher auf.

Ralf Wiegand, Hamburg

Es wäre ohnehin schon der letztmögliche Termin, zu dem sich für den Schwerverbrecher Thomas Drach die Gefängnistore öffnen könnten. Im kommenden Sommer soll der heute 51 Jahre alte Entführer von Jan Philipp Reemtsma wieder in Freiheit entlassen werden, nach 14 Jahren und sechs Monaten Haft hinter den Gittern verschiedenster Gefängnisse.

THOMAS DRACH

In der kommenden Woche soll gegen den Reemtsma-Entführer Thomas Drach erneut ein Prozess beginnen. Aus dem Gefägnis soll er die Verschleppung seines Bruders geplant haben.

Das Gesuch, vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden, hatten die Behörden stets abgelehnt, denn Drach gilt heute als ebenso gefährlich wie damals, als er den vermögenden Sozialwissenschaftler mit Hilfe von Komplizen entführte, 33 Tage lang festhielt und von Reemtsmas Familie ein hohes Lösegeld erpresste. Nun könnte sich Drachs Freilassung aber noch ein paar Jahre verzögern: Dann nämlich, wenn das Hamburger Landgericht der Einschätzung der Staatsanwaltschaft folgt, wonach Drach aus dem Gefängnis heraus eine weitere Entführung geplant hatte - die seines Bruders.

Schon ab kommendem Donnerstag will das Gericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen Thomas Drach erneut den Prozess machen. Die Staatsanwaltschaft klagt den in Verbrecherkreisen einst als Superhirn verehrten Schwerstkriminellen an, er habe im Februar 2009 aus dem Gefängnis heraus einen Freund dazu bringen wollen, den eigenen Bruder ins Ausland zu verschleppen und von ihm insgesamt 30 Millionen Euro zu verlangen. "Versuchte Anstiftung zu einer räuberischen Erpressung", fasst der Sprecher der Hamburger Ermittlungsbehörde, Wilfried Möllers, den Tatvorwurf zusammen.

Thomas Drach habe demnach in mindestens zwei, wohl zur Täuschung der den Briefverkehr kontrollierenden Vollzugsbeamten in umständlichem Deutsch verfassten Briefen versucht, seinen Bruder Lutz Drach bei dessen Haftentlassung im Mai 2009 noch vor dem Gefängnis abfangen und verschleppen zu lassen. Stattdessen wurden aber die Briefe abgefangen.

Lutz Drach saß seinerzeit selbst für sechs Jahre in Haft, weil er Teile des Lösegelds gewaschen hatte. Laut Möllers ist die versuchte Anstiftung eine "eindeutig strafbare Handlung, von der wir glauben, dass sie mit einer Haftstrafe zu ahnden ist". Kredit hat Drach vor Gericht nicht: Immer wieder musste er während seiner Haftzeit verlegt werden, weil die Sorge bestand, er schmiede Ausbruchspläne. Auch hat er Gewalt gegen Justizpersonal ausgeübt. Und bis zum heutigen Tag ist ein großer Teil des Lösegeldes - damals zwölfeinhalb Millionen Schweizer Franken und 15 Millionen Mark - spurlos verschwunden.

Offenbar vermutete Thomas Drach, dass sein Bruder es gut angelegt und vermehrt hat - und dass er, Thomas, darauf ein Anrecht hätte. Drach war schon 1996 ein vorbestrafter Gewalttäter, als er den Multimillionär Reemtsma am Abend des 25. März mit Hilfe von Komplizen überwältigte, nach Garlstedt in Niedersachsen verschleppte und in einem Keller 33 Tage lang festhielt. Die Öffentlichkeit erfuhr erst nach der Freilassung von dem Fall, den das Opfer später in einem Buch ("Im Keller") zu verarbeiten versuchte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: