Jim Morrison:This Is The End

In einer Höhle bei Malibu wird gekifft und geknutscht. Jim Morrison soll dort seine Lieder komponiert haben. Ein Besuch.

Von Jürgen Schmieder

Es ist ein wunderbarer Ort, diese kleine Höhle in den Hügeln von Malibu. Die Corral Canyon Cave liegt versteckt und kann nur zu Fuß erreicht werden. Wer sich durch die winzige Öffnung zwängt und nach oben steigt, dem eröffnet sich ein 50 Quadratmeter weites und kaum zwei Meter hohes Kunstwerk mit Graffiti und prächtigem Blick über den Nationalpark. Das versiffte Hollywood scheint weit weg, das glamouröse Beverly Hills auch, das langweilige Malibu sowieso. Es fällt einem nicht schwer, sich Jim Morrison hier vorzustellen. Der Lizard King, der King of Orgasmic Rock, der Poet mit der schwarzen Seele, wie er hier mit LSD-Ticket unter der Zunge gleich mehrere Frauen vernascht. Dann legt er sich nieder und denkt sich eine Textzeile wie diese aus: "There's danger on the edge of town. Ride the King's highway, baby. Weird scenes inside the gold mine. Ride the highway west, baby."

Dieser Ort ist eine psychedelische Erinnerung an einen Heiligen der Rockmusik, der 1971 im Alter von nur 27 Jahren in Paris gestorben ist - doch wie so viele Erinnerungen wird auch diese von den Idioten der Gegenwart zerstört. In der Höhle liegen Zigarettenstummel und Joint-Überreste, zerbrochene Bierflaschen und abgefackelte Chinaböller, über die Graffiti haben manche in schwarzer Schrift ihren Namen gekritzelt und hässliche Penisse dazu gemalt. Am Baum davor hängt eine Männerunterhose mit dem Namen eines Designers darauf und gleich daneben ein schwarzer String. Die Leute haben hier ganz offensichtlich Sex und konsumieren Drogen, mit Rock 'n' Roll hat es jedoch wenig zu tun.

Diese Höhle, in der vor Jahrhunderten schon Mitglieder des Indianer-Stammes Chumash saßen - die Ureinwohner Kaliforniens - und die Wände bemalten, darf seit einer Woche nicht mehr betreten werden. Und zudem hat sich herausgestellt: Es scheint wohl ein Mythos zu sein, dass Morrison überhaupt jemals hier gewesen ist. "Wir haben im Museum für Rockmusik recherchiert", sagt Tony Hoffman. Er ist Ranger bei den California State Parks und verantwortlich für diesen Teil des Nationalparks: "Es gibt keinen Beweis dafür, dass er diese Höhle besucht oder hier gar Lieder geschrieben hat." Die Höhle ist wie eine verschwommene Erinnerung all jener, die "The End" noch live im Hollywood Bowl gehört haben - so wie das abgefuckte Motel auf der La Cienega Avenue, in dem Morrison ein paar Jahre lang gelebt hat. Oder das Klo im Benvenuto Cafe auf dem Santa Monica Boulevard, das damals noch das Studio war, in dem er den Song "L. A. Woman" aufgenommen hat. Vielleicht ist das mit Morrison und der Corral Canyon Cave einfach nur eine schöne Lüge.

Jim Morrison: Psychedelische Felsenmalereien: Die Corral Canyon Cave in den Bergen von Malibu diente schon den Chumash-Indianern als Rückzugsort. Später kamen die Hippies, danach die Touristen.

Psychedelische Felsenmalereien: Die Corral Canyon Cave in den Bergen von Malibu diente schon den Chumash-Indianern als Rückzugsort. Später kamen die Hippies, danach die Touristen.

(Foto: Damian Dovarganes/AP)

Genau das macht diesen Ort so spannend, weil es eben keiner so genau weiß. Deshalb ist Morrison auch knapp 45 Jahre nach seinem Tod noch faszinierend: Menschen, die noch nie "Unknown Soldier" gehört haben oder "Love Me Madly", laufen mit T-Shirts herum, auf denen dieser verführerische Blick des von sich selbst besoffenen Typen abgebildet ist. Morrison ist mittlerweile größer als seine Musik, weil er als Rebell glorifiziert wird, als Sexsymbol und Schamane. Dabei war er vor allem ein genialischer Poet.

In Paris verkaufen sie in der Nähe des Friedhofs, auf dem er bestattet worden ist, Postkarten, Anstecknadeln und Kaffeebecher. Auch in Los Angeles schlagen sie aus dem Totenkult Kapital, im vergangenen Jahr wurde etwa eine schwarze Kalbslederjacke, die Morrison bei einem Konzert getragen hatte, für 20 000 Dollar versteigert. Die Höhle konnte dagegen jeder gratis besuchen, der daran glauben wollte, dass der Musiker hier tatsächlich nach Inspiration oder Ruhe gesucht hat.

Light My Fire: Die Gefahr eines Waldbrandes ist rund um die Höhle sehr hoch

"Es war lange Zeit ein Geheimtipp, durch soziale Netzwerke jedoch ist es im vergangenen Jahr explodiert", sagt Hoffman und deutet auf die vielen Feuerzeuge und Glasscherben: "Ein Funke reicht hier oben für ein gewaltiges Feuer - und wir können es nicht mehr kontrollieren, wenn pro Monat mehr als 3000 Menschen hierherkommen, Feuer anzünden oder ihre Kippen in die Büsche werfen." Vor einigen Jahren hatten Besucher für ein Lauffeuer gesorgt, 50 Häuser wurden zerstört.

Jim Morrison

James Douglas "Jim" Morrison war Frontmann der Rockband The Doors. Von ihm stammen die meisten Songtexte der Gruppe - viele davon gelten als poetische Meisterwerke.

(Foto: dpa)

Die Höhle ist nun erst einmal geschlossen, doch es kommt noch schlimmer: Die Graffiti werden entfernt und damit womöglich auch die Malereien der Indianer darunter. "Wir versuchen, so wenig Schaden wie möglich anzurichten", sagt Hoffman. Die Reinigung dürfte bis zu 50 000 Dollar kosten. Was danach passiert, ist noch unklar. Der winzige Eingang könnte versiegelt werden, damit niemand mehr hinaufsteigen kann in die Höhle. "Es tut mir wahnsinnig leid, dass es so gekommen ist", sagt Hoffman: "Ein paar Leute haben nicht kapiert, dass gerade Morrison überhaupt nichts davon gehalten hätte, wenn dieser Ort der Chumash-Indianer dadurch besudelt wird, weil einige Besucher ihren Müll nicht wegräumen und leichtsinnig Feuer anzünden." Wahrscheinlich hätte Morrison diesen Menschen das gesagt, was er den Polizisten vor dem Konzert 1967 in New Haven gesagt hat, die ihn beim Sex mit einem Groupie auf der Toilette erwischt hatten: "Verpisst euch!"

Die Leute müssen wohl nach anderen Orten suchen, an denen Jim Morrison gewesen sein könnte. Wobei dieses Gebilde schon einzigartig ist. Es soll ja Leute geben, die nicht daran glauben, dass Morrison tatsächlich gestoben ist, damals in Paris. Und die daran glauben, dass er noch immer lebt, in welcher Form auch immer. Beim Hinaussteigen aus der Höhle des Lizard Kings (deutsch "Eidechsenkönig) durch diese winzige Öffnung, die "Geburtskanal" genannt wird, begegnet einem eine kleine Eidechse. Kann das Zufall sein?

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