Jessica Alba:"Es hat Vorteile, ein Sexsymbol zu sein"

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Die Schauspielerin über Freundinnen aus der Kindheit, ihren ungebändigten Ehrgeiz - und die Freiheit, die ihr das Geld verleiht.

Antje Wewer

Berlin, Hotel de Rome. Jessica Alba kommt aus ihrer Mittagspause - die Haare gebürstet, die Nase gepudert. Sie trägt ein Abendkleid, zwölf Zentimeter hohe Absätze und sieht aus wie frisch geschlüpft. Nichts an ihr ist zerknittert. Weder das Kleid, noch das Gesicht. Die amerikanischen Höflichkeitsrituale beherrscht sie perfekt. Dann ein sehr fester Händedruck, ooops, wer hätte das gedacht!

Jessica Alba, nicht von schlechten Eltern: Ihr Vater ist mexikanischer Abstammung, die Mutter hat dänische und französische Vorfahren. (Foto: Foto: AP)

SZ: Miss Alba, Sie haben tatsächlich diesen phantastischen Teint, den Sie auch auf der Leinwand haben.

Jessica Alba: Danke, nett, dass Sie das sagen. Mir fällt das gar nicht mehr auf.

SZ: Weil er für Sie selbstverständlich ist.

Alba: Genau. Aber worauf wollen Sie hinaus?

SZ: Dass ich mir gerade blass vorkomme.

Alba: Nun ja, Sie sind eine Blondine. Es ist nur logisch, dass Ihr Teint nicht so dunkel ist wie meiner.

SZ: Das US-Magazin People wählte Sie unter die 50 schönsten Menschen. Ich schätze, Ihre Freundinnen brauchen ein gutes Selbstbewusstsein, oder?

Alba: Nein . . . die sind viel schlauer, als Sie denken. Die meisten Frauen durchschauen doch die billigen Mechanismen, nach denen solche Preise vergeben werden. Es beeindruckt sie nicht, keine Spur. Davon mal abgesehen, habe ich wunderbare Freundinnen. Die wenigsten von ihnen verdienen ihr Geld in Hollywood.

SZ: Das bedeutet aber auch, dass Sie viel mehr verdienen, oder?

Alba: Schon. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass ein dickes Bankkonto Frauen beeindruckt. Männer vielleicht, aber nicht Frauen. Die gönnen mir den Erfolg.

SZ: Auch diejenigen, die in Ihrer Branche arbeiten?

Alba: Das sind nur ein paar. Eva Longoria, Kate Hudson und Eva Mendes würde ich als Freundinnen bezeichnen. Tolle Frauen, die es nicht nötig haben, mit irgendwem in Konkurrenz zu treten. Die wünschen sich wie ich, dass mehr Frauen im Filmbusiness mitmischen und Kontrolle übernehmen. Dass wir nicht nur in Filmen spielen, sondern sie auch schreiben, Regie führen oder produzieren.

SZ: Wen würden Sie zu einem Barbecue in Ihrem Haus einladen?

Alba: Nur den engsten Kreis. Leute, bei denen ich mir sicher bin, dass sie nicht weitererzählen, was ich in meinen Schubladen habe. Meine Cousins, Freundinnen, die ich seit Teenagerzeiten kenne, den Regisseur von meinem Film "Honey" und seinen Freund. Leute, die ich auf meinem Weg kennengelernt habe. Gute Leute eben.

SZ: Was heißt das: gute Leute?

Alba: Menschen, mit denen ich klicke. Solche, die nicht neidisch auf mich sind. Bei denen ich spüre, dass sie mich als Mensch toll finden und nicht, weil ich ein Filmstar bin. Ich habe gute Sensoren. Morgen könnte alles vorbei sein, aus welchen Gründen auch immer. Hollywood ist keine sichere Nummer.

SZ: Wenn Sie dann nur noch Jessica, das Mädchen von nebenan, wären, hätten Sie dieselben Freunde?

Alba: Diese Frage kann ich zu 100 Prozent mit Ja beantworten. Im Grunde sind Krisen der einzig wahre Freundschaftstest: Zu wem kannst du gehen, wenn es dir dreckig geht?

SZ: Die Menschen kann man in der Regel an einer Hand abzählen.

Alba: Genau. Deshalb sind diese Menschen unglaublich wertvoll.

SZ: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Kindergartenfreundinnen?

Alba: Bis zu meinem neunten Lebensjahr bin ich auf Militärbasen aufgewachsen. Mein Vater arbeitete damals als Soldat bei der Luftwaffe, und wir mussten ziemlich oft umziehen.

SZ: Mochten Sie das Leben?

Alba: Ich fand es zwar schrecklich, die immer wieder neu gewonnenen Freundinnen zurückzulassen. Anderseits brauchte ich keine Angst zu haben, weil wir von einer kleinen, geschlossenen Kommune wieder in die nächste zogen. Dort sahen alle Häuser gleich aus, waren im selben Stil eingerichtet, und selbst die Gärten waren einer wie der andere.

SZ: Das machte es einfacher?

Alba: Ich denke schon, sobald eine Familie einzog, gehörte sie dazu. Keiner war besser als der andere. Das galt für die Erwachsenen und auch für die Kinder. Die Offiziere wohnten natürlich woanders, und ihre Häuser waren sehr viel größer. Schließlich sind Militärbasen keine Hippie-Kommunen.

SZ: Fühlten Sie sich in dieser Welt wohl?

Alba: Absolut, sie war sicher und beständig. Als mein Vater in Texas stationiert war, lebten in unserer Gemeinde nur Kalifornier, wir sprachen alle mit demselben Akzent. Es war wie "Home away from Home". Das sagte mein Vater jedenfalls immer.

SZ: Ihre stärkste Erinnerung?

Alba: Wie mein Vater jeden Tag in seinen schweren Boots vier Meilen joggen gegangen ist. Er trug immer blütenweiße Hosen und dazu ein Muskelshirt. Wenn er zurückkam, machte er seine Bizepsübungen, mein Bruder und ich hingen als extra Gewichte an seinen Armen. Oder wir saßen auf seinem Rücken, wenn er Liegestütze machte. Er war ein cooler Dad, sehr jung, gerade mal zwanzig Jahre alt. Und es war klar, dass er vorankommen wollte. Gleichzeitig wollte er aber seine Kinder nicht vernachlässigen.

SZ: Sie hatten sehr junge Eltern. Wie hat Sie das geprägt?

Alba: Meine Eltern sind von zu Hause ausgerissen, um zu heiraten. Sie hatten Kinder, als sie selber noch welche waren. Man könnte sagen, dass wir zusammen aufgewachsen sind. Wir haben voneinander gelernt, haben Fehler zusammen gemacht.

SZ: Wie kann man sich das vorstellen?

Alba: Ich konnte mit ihnen über alles reden, wir waren eine Clique, es gab keine klassische Eltern-Kind-Situation. Mein Vater wollte nie, dass ich ein typisches Mädchen, also ein "Girlie-Girl" werde. Ich bin sein Erstgeborenes. Er wollte, dass ich ein "tough cookie" werde.

Jessica Alba ist schon seit 14 Jahren im Showgeschäft: Sie spielte die ihre erste Serienrolle in "Flipper". (Foto: Foto: ddp)

SZ: Also ein Keks, der etwas aushält?

Alba: Genau. Also wollte ich immer besser als die Jungs sein und hatte schon früh ein Problem damit, wenn Frauen und Männer nicht gleich behandelt werden. Es gibt 8mm-Filme von mir, wie ich mit einem breiten Südstaatenakzent, wir lebten damals in Texas, erzähle: "Ei ääm an indepändent womän. No män is me goona tell what to doooo!"

SZ: Und war es dann so?

Alba: Aber ja! Schließlich habe ich früh angefangen, mir ein eigenes Leben aufzubauen. Mit zwölf Jahren beschloss ich, Schauspielerin zu werden. Ganz ohne Vetternwirtschaft. Bei mir gibt es auch keine ehrgeizigen Eltern im Hintergrund, die aus mir einen Kinderstar machen wollten und mich zum Ruhm getrieben haben. Ganz im Gegenteil. Nachdem ich zwei Jahre lang eine Hauptrolle in der Serie "Flipper" gespielt hatte, sagte mein Vater zu mir: "Jess, jetzt hast du doch alles erreicht, was du wolltest. Jetzt kannst du aufhören."

SZ: Haben Sie aber nicht.

Alba: Oh nein, es ging erst richtig los. Ich hatte Blut geleckt und wollte etwas anderes machen, als all die Menschen, die ich kannte. Ich hab' ein Dutzend Cousins und Cousinen, die alle in der Vorstadt leben. Sie sind glücklich, auf ihre Art. Ich wollte einen anderen Weg gehen. Meine Mutter hat immer gesagt: "Du kannst haben, was du willst im Leben. Du musst nur hart genug dafür arbeiten."

SZ: Ein Satz aus kleinen Verhältnissen.

Alba: Ja, der All American dream. Und ich bin überzeugt davon, dass dieser Traum funktioniert. Ich bin der beste Beweis dafür. Als mein Vater aus der Armee ausgetreten ist und wir zurück nach Los Angeles gingen, hatten wir so wenig Geld, dass wir bei meiner Großmutter einziehen mussten. Ich habe unten im Klassensystem angefangen und mich nach oben gekämpft.

SZ: Das klingt nach Krieg.

Alba: Oder: nach Druck. Den ich mir selber gemacht habe. Ich war schon als Kind sehr erwachsen. Ständig habe ich über das Morgen nachgedacht. Wie kann ich noch mehr Geld verdienen? Wie komme ich weiter voran? Treffe ich die richtigen Entscheidungen?

SZ: Wie schrecklich.

Alba: Das war es auch. Ich war ein unentspanntes Kind und bin zu einer Über-Erwachsenen mutiert. Die Früchte ernte ich jetzt, 14 Jahre später. Ich bin jetzt auch viel kindischer als früher.

SZ: Apropos kindisch. Kränkt es Sie, wenn die New York Times über Sie schreibt, dass Sie in "Into the Blue" einen "ittybitty-Bikini" tragen, der Ihnen extra ein paar Nummern zu klein ist?

Alba: Ach, ich bitte Sie! Generell versuche ich den Hollywoodklatsch zu ignorieren, weil ich weiß, dass die meisten sowieso nur Mist schreiben. Zum Beispiel Perez Hilton. Ein kleiner, bemitleidenswerter Typ, der sich den Namen eines berühmten Mädchens geklaut hat, um selber berühmt zu werden. Kennen Sie den?

SZ: Ist das der, der Jessica "don't call me a Latina" Alba erfunden hat?

Alba: Ja, er betreibt einen Blog, in dem er auch über andere Leute hässliche Sachen schreibt. Wenn ich ihn zu meiner Pressetour einladen und mit ihm abhängen würde, würde er nette Sachen über mich verbreiten. Aber ich habe keine Lust, dieses Spielchen mitzumachen. Oder sagen wir es so: Ich habe es nicht nötig. Mein Status ist mir egal. Ich bin Schauspielerin.

SZ: Die ihr Image zu bedienen weiß.

Alba: Entschuldigung, aber ich muss diesen ganzen Werbezirkus machen! Der Verleih bezahlt mir einige Millionen Dollar. Dafür muss ich Geschichten für Männermagazine, Frauenmagazine, Kinderzeitschriften, Tageszeitungen, Wochenzeitungen machen. In Talkshows gehen, Fragen auf dem roten Teppich beantworten und bei allem was ich mache, versuchen, so gut wie möglich auszusehen. Aber da erzähle ich Ihnen ja sicher nichts Neues.

SZ: Nein, was mich viel mehr interessiert: War Ihr Vater wirklich sauer, als Sie auf dem Cover des "Playboys" waren?

Alba: Sauer ist übertrieben, toll fand er es nicht. Welcher Vater will seine Tochter schon auf einem "Playboy"-Titel sehen. Andererseits: Ich trug einen Bikini. Und mein Dad ist kein Muslim. Er hat mich schon ziemlich oft im Bikini gesehen.

SZ: Sind Sie gerne ein Sexsymbol?

Alba: Nein, aber es hat Vorteile.

SZ: Welche?

Alba: Ich erreiche eine bestimmte Zielgruppe, das steigert meinen Marktwert und das wiederum ermöglicht mir Filme zu machen. Und immer öfter welche, in denen ich mich als Schauspielerin entwickeln kann. Zum Beispiel habe ich "The Eye" gedreht, einen Horrorfilm, in dem eigentlich Renée Zellweger die Hauptrolle spielen sollte. Ich spiele eine blinde Violinistin, die nach einer Hornhauttransplantation plötzlich anfängt, Vorahnungen zu haben.

Tiefenpsychologischer Horror, kein Film, in dem ich in einem engen weißen T-Shirt durch den Wald gejagt werde. Keine Vergewaltigung, kein Blutspritzen. Ich bekomme leider immer noch viele Drehbücher angeboten, in denen ich die Motorradbraut oder die süße Hure spielen soll.

SZ: Was machen Sie damit?

Alba: Ich werfe sie in den Müll.

SZ: Fragen Sie vorher Ihre Agentin um Rat? Ihre Eltern? Ihre Freundinnen?

Alba: Wie gesagt, meine Eltern verstehen nichts vom Filmbusiness. Und wenn ich Schauspielerinnen treffe, sprechen wir meistens über andere Dinge als unsere Arbeit. Wir alle sind sehr abergläubisch, was das Sprechen über Rollen angeht, die noch nicht unter Dach und Fach sind.

Auf seine Agenten sollte man auch nicht zu sehr hören, sie unterschreiben den Vertrag und führen dann ihr Leben weiter wie gehabt. Ich dagegen bin für mehrere Monate am Set, dann muss ich den Film in der ganzen Welt vorstellen und muss später mit dem Erfolg oder Misserfolg des Films leben.

SZ: Haben Sie die richtigen Entscheidungen getroffen?

Alba: Früher habe ich Fehler gemacht, weil ich nicht weitsichtig entschieden habe.

SZ: Warum?

Alba: Weil es mir zu sehr ums Geldverdienen ging. Jetzt habe ich mich etabliert und genug auf der Kante, um mir die Rollen auszusuchen, die ich spielen will. Ich bin so frei wie nie zuvor. Ich unterstütze zwar meine Eltern, habe aber noch keine eigene Familie, um die ich mich kümmern muss. Keine Kinder, die in die Schule müssen. Ich kann drehen so viel ich will.

SZ: Was machen Sie mit Ihrem Geld?

Alba: Ich spare es. Und ich investiere in Immobilien. Mit 21 Jahren habe ich mir ein Haus gekauft, in dem ich immer noch wohne. Mit der Gage von "Honey" habe ich meine Küche bezahlt, der erste Teil von "Fantastic Four" steckt in meinem Badezimmer und den zweiten Teil habe ich den Garten investiert.

SZ: Es ging Ihnen mehr um das Geldverdienen als um Aufmerksamkeit?

Alba: Es ging mir um das Spielen. Richtige Aufmerksamkeit bekomme ich sowieso erst in den vergangenen vier Jahren. Lange Zeit war ich einfach nur eine B-Klasse-Schauspielerin ohne Status. Keiner wusste, in welche ethnische Schublade er mich stecken sollte. Bei Castings dachten die meisten: "Who the hell are you? Du hast zwar geschwollene Lippen, bist aber keine Afro-Amerikanerin. Du hast dunkle Haut, bist aber keine Latina. Wie bitte, Spanisch kannst du auch nicht sprechen? Bist du eine Philippina? Kommst du wenigstens aus Hawaii?"

SZ: Was haben Sie denen geantwortet?

Alba: Das was ich bin: Amerikanerin. Als mein Großvater in den Sechzigern aus Mexiko einwanderte, brodelte der Rassismus in Kalifornien. Also entschied er, dass seine Kinder nur Englisch sprechen sollten.

SZ: Die richtige Entscheidung?

Alba: Ich denke ja, er wollte ihnen die besten Chancen ermöglichen. Wie könnte ich ihm das vorwerfen?

SZ: Sie haben immer mal wieder angekündigt, Spanisch zu lernen.

Alba: Ich bin seit neun Monaten unterwegs, war kaum zu Hause. Entweder drehe ich oder reise um die Welt, um meine Filme vorzustellen. In diesem Jahr kommen sechs Filme von mir raus! Kurz: Ich habe keine Zeit.

SZ: Das klingt stressig.

Alba: Ist es auch. Manchmal spreche ich mehrere Monate nicht mit meinen Freunden. Das ist schade, aber auch ein guter Indikator.

SZ: Für was?

Alba: Die, mit denen ich auch klicke, wenn wir nicht täglich sprechen, sind meine wirklichen Freunde. Sie haben Verständnis. Und wenn ich Heimweh bekomme, lasse ich sie einfliegen. Noch so ein Luxus.

SZ: Den Sie sich leisten können.

Alba: Weil ich Geld habe. Richtig. Geld gibt dir Freiheit. Ich bleibe dabei.

Jessica Alba, 26, lebt in Los Angeles. Ihr Vater ist mexikanischer Abstammung, die Mutter hat dänische und französische Vorfahren. Ihrem Genmix verdankt Alba ihr spezielles Aussehen. Oft wird sie deshalb gefragt, ob sie eine echte "Latina" ist. Sicher ist, dass sie seit 14 Jahren als Schauspielerin ihr Geld verdient.

Der Kinderstar hatte mit zwölf den ersten Agenten und mit 14 die erste durchgehende Serienrolle in "Flipper". Mit 17 Jahren machte James Cameron Alba zum Star seiner Science-Fiction-Serie "Dark Angel". In der Comic-Verfilmung "Fantastic Four" trägt sie enganliegende Uniformen und besitzt eine besondere Eigenschaft: Sie kann sich unsichtbar machen. Der zweite Teil heißt "Fantastic Four - Rise of the Silver Surfer" und startet am 9.August im Kino.

© SZ vom 28.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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