Jemen:Drei Deutsche entführt

Im Jemen haben bewaffnete Stammesangehörige drei Deutsche entführt. Das bestätigte das Auswärtige Amt. Die Täter wollen offenbar Verwandte freipressen, die von der Polizei festgenommen wurden.

Im Jemen haben bewaffnete Stammesangehörige drei Deutsche entführt. Das bestätigte am Montag auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin, Jens Plötner. Bei den Geiseln soll es sich um eine Mitarbeiterin der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und deren Eltern handeln, die dort Urlaub machten.

Jemen: Die neugebaute al-Saleh-Moschee in Sanaa, der jemenitischen Hauptstadt: Das Land besitzt zahlreiche kulturelle und touristische Sehenswürdigkeiten. Doch wegen der Entführungsgefahr gab das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für den Jemen aus.

Die neugebaute al-Saleh-Moschee in Sanaa, der jemenitischen Hauptstadt: Das Land besitzt zahlreiche kulturelle und touristische Sehenswürdigkeiten. Doch wegen der Entführungsgefahr gab das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für den Jemen aus.

(Foto: Foto: Reuters)

Sie wurden bereits am Sonntag rund 150 Kilometer von der Hauptstadt Sanaa entfernt verschleppt, teilten jemenitische Sicherheitskräfte und das Auswärtige Amt mit. Nach Angaben von jemenitischen Stammesvertretern handelt es sich bei den Entführern um Mitglieder eines Stammes aus der Region Bani Dhabjane.

Hintergrund der Tat sind Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Stämmen. Die Entführer wollen die Deutschen nach Ansicht von Beobachtern in Sanaa benutzen, um drei Verwandte freizupressen, die nach einem Streit um Landbesitz vor zwei Monaten festgenommen worden waren. Die Entführer hatten den drei Deutschen bei einem Besuch der historischen Stadt Radaa, rund 130 Kilometer südöstlich von Sanaa, aufgelauert. Die Geiseln seien bei guter Gesundheit, hieß es aus Stammeskreisen.

Das Krisenreaktionszentrum des deutschen Außenministeriums und die zuständigen Stellen der Bundesregierung stünden in Kontakt mit dem Jemen und seien um schnelle Aufklärung bemüht, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag. Die Regierung des Landes stehe im Kontakt mit einem der Stämme, um die Freilassung der Bundesbürger zu erreichen.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen riegelte die Polizei am Montag ein unwegsames Gebiet unweit von Radaa ab, wo die Geiseln vermutlich festgehalten werden.

Unterdessen bemühten sich Clanchefs des beteiligten Bani-Dhabian-Stammes darum, Kontakt zu den Kidnappern aufzunehmen, um die Freilassung der Deutschen zu erwirken. Angehörige des Clans der drei inhaftierten Jemeniten hatten zuvor bereits ohne Erfolg gegen die Festnahme ihrer Stammesbrüder demonstriert.

In den vergangenen 15 Jahren wurden im Jemen mehr als 200 Ausländer von unterschiedlichen Stämmen entführt. Oft geht es dabei um Auseinandersetzungen mit der Regierung in Sanaa. Ende 2005 waren auch der deutsche Ex-Diplomat Jürgen Chrobog und dessen Familie entführt worden.

Chrobog war lange Zeit Unterhändler der Bundesregierung bei Geiselnahmen. Die Familie kam nach wenigen Tagen wieder frei. Zuletzt waren im September ein Kanadier und sein syrischer Kollege in der südlichen Provinz Abjan verschleppt worden.

Die Republik Jemen ist eines der ärmsten Länder der Welt und das ärmste Land im Nahen Osten. Mit knapp 528.000 Quadratkilometern ist der Staat am südwestlichen Zipfel der arabischen Halbinsel viel größer als Deutschland (rd. 357 000 Quadratkilometer), hat aber nur knapp 20 Millionen Einwohner. Vom afrikanischen Kontinent ist der Jemen nur wenige Kilometer entfernt, lediglich getrennt durch die Meerenge am Golf von Aden. Wüstenregionen prägen die Landschaft.

Das Gewehr als Zeichen der Männlichkeit

Etwa 75 Prozent der Bevölkerung leben außerhalb der wenigen großen Städte. In den Großstädten ziehen die charakteristischen Hochbauten aus Lehm, die wie Lebkuchen verziert sind, die Touristen an. Die in diesem Stil errichtete Altstadt der Hauptstadt Sanaa wurde von der Unesco schon früh zum zum Weltkulturerbe erhoben. Die legendäre Königin von Saba soll im wüstenumgebenen Marib gelebt haben.

Für das Landesinnere typisch sind Burgen der Stammesfürsten auf Bergspitzen, an die sich die Wohnhäuser der Clans anlehnen. Die Herrscher von mehreren hundert Stämmen erkennen eine Zentralgewalt des Staates nicht an. Regionale Stammesfürsten, aber auch islamische Fundamentalisten haben wiederholt versucht, ihre jeweiligen Forderungen mit der Entführung vor allem von Touristen durchzusetzen.

Fast die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 14 Jahre, lediglich vier Prozent 65 Jahre und älter. Knapp 40 Prozent können lesen und schreiben, fast alle bekennen sich zum Islam. Ein Krummdolch im Gürtel wird schon von Zehnjährigen als Zeichen der Manneswürde getragen. Wer es sich leisten kann, hängt sich ein Gewehr über die Schulter.

Bis zur Revolution von 1962, mit der die tausendjährige Herrschaft von Imamen beendet wurde, war Jemen fast mittelalterlich abgeschlossen. Wenig später begann Deutschland mit der Entwicklungshilfe für den Norden des bis 1990 geteilten Staates. Seitdem standen die Deutschen an der Spitze der Geberländer. Einige Mitglieder des Regierungsapparates des seit 1978 amtierenden Präsidenten Ali Abdallah Saleh haben in Deutschland studiert.

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