AKW Fukushima:Japan befürchtet "langen Kampf" gegen Atomkatastrophe

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Bittere Prognose der japanischen Regierung: Aus der Atomruine in Fukushima könnte noch monatelang radioaktive Strahlung entweichen. Die Techniker scheitern unterdessen mit dem Versuch, ein Leck mit Kunstharz abzudichten. Noch immer läuft radioaktives Wasser ins Meer.

Schlechte Nachrichten aus Japan: Die Arbeiten an dem schwer beschädigten Atomkraftwerk Fukushima-1 können sich nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde Nisa noch mehrere Monate hinziehen. Solange werde es dauern, die Anlage unter Kontrolle zu bringen, erklärte ein Nisa-Sprecher.

Die Helfer kämpfen weiter gegen die Atomkatastrophe in Japan. (Foto: dpa)

In den kommenden Monaten müsse ein wichtiger Wendepunkt bei den Bemühigungen erreicht werden, das Kühlsystem wieder in Gang zu bringen und den Austritt von Radioaktivität in Wasser und Luft zu stoppen. Selbst dieser Wendepunkt werde noch nicht das Ende sein, sagte der Sprecher.

Auch nach Einschätzung der japanischen Regierung könnte aus der Atomruine noch lange Radioaktivität entweichen. Es könnte mehrere Monate dauern, bis alle Lecks gestopft seien, sagte ein japanische Regierungssprecher. Er sprach von einem "langen Kampf". Die Regierung und der Kraftwerksbetreiber Tepco prüften derzeit mögliche Wege, um diese Zeit zu verkürzen.

"Wenn es nötig ist, übernachten sie auf dem Gelände"

Die Betreibergesellschaft Tepco steht weiter in der Kritik. Offenbar arbeiten die 400 Arbeiter am havarierten Atomkraftwerk unter katastrophalen Bedingungen, wie aus einem Interview von tagesschau.de mit dem Pressesprecher von Tepco hervorgeht. "Wenn es nötig ist, übernachten sie in einem Gebäude auf dem AKW-Gelände", sagte Tepco-Sprecher Yoshimi Hitosugi demnach. Und weiter: "Ernähren müssen sie sich leider mit Notfall-Rationen." Die Arbeiter würdem im Schichtsystem eingesetzt.

Zur heftig kritisierten Informationspolitik des Energiekonzerns sagte Hitosugi: "Wir geben mehrmals am Tag Pressekonferenzen. Die Daten der Boden- und Meerwasserverseuchung werden nach der Untersuchung und der Bewertung sofort veröffentlicht."

Hitosugi entschuldigte sich bei "den Bewohnern um das AKW, beim japanischen Volk sowie der Bevölkerung der ganzen Welt". Ob Tepco allein für den Atomunfall verantwortlich sei, wollte er nicht kommentieren: Es sei noch nicht an der Zeit, "über Schuldige zu sprechen".

Derweil versucht die Tepco weiter, das Leck im Reaktor 2 des havarierten Atomkraftwerk Fukushima-1 zu stopfen, über das hoch radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer läuft. Bislang allerdings erfolglos. Der 20-Zentimeter-Riss befindet sich in einem Kabelschacht des Turbinengebäudes des Reaktors.

Den Technikern gelang es auch im zweiten Anlauf nicht, den Riss abzudichten. Ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde erklärte, das eingesetzte Kunstharz habe die Quelle radioaktiver Kontamination nicht schließen können. Die Ingenieure hätten jedoch noch nicht aufgegeben und sollten bis Montag wissen, ob ihr Plan funktioniere.

Nachdem Versuche, das Leck mit Beton abzudichten, gescheitert waren, setzten die Arbeiter auf eine neue Methode mit Kunstharz: Dabei wurde Polymer in eine Rohrleitung gepumpt, die den Schacht mit dem Rest des Systems verbindet. Kunstharz kann große Mengen Wasser absorbieren und sich auf das 50-fache seiner ursprünglichen Größe ausdehnen. Sollte es Tepco gelingen, das Wasser so zu stoppen, soll der Riss erneut mit Beton versiegelt werden, teilt die Atomaufsichtsbehörde mit.

Tepco hat inzwischen bestätigt, dass aus dem Leck Wasser mit einer Strahlung von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde ins Meer läuft. Greenpeace-Experte Wolfgang Sadik bezeichnete die gemessenen Werte als "lebensbedrohlich".

Am Morgen hatte die Betreiberfirma eine weitere traurige Nachricht zu vermelden. Auf dem Gelände des Atommeilers wurden die Leichen zweier Arbeiter gefunden.

Wie Tepco mitteilt, waren die beiden zwischen 20 und 30 Jahre alten Männer seit dem schweren Erdbeben vom 11. März vermisst worden. Nach Einschätzung der Polizei seien sie Opfer des Tsunamis geworden und ertrunken, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press. Ihre Leichen wurden nach einer Strahlenüberprüfung ihren Angehörigen übergeben.

Angst vor der Atomwolke

Japans Außenminister Takeaki Matsumoto hatte am Samstag bei dem Kurzbesuch von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) der internationalen Gemeinschaft "größte Transparenz" bei der Aufklärung der Reaktorkatastrophe versprochen. Ministerpräsident Naoto Kan war am selben Tag erstmals in das Krisengebiet gereist und hatte den Überlebenden der Katastrophe und den Helfern Unterstützung zugesagt.

In Tokio wächst indes die Angst vor der Atomwolke. Meteorologen befürchten, dass radioaktive Partikel in den nächsten Tagen nach Tokio wehen könnten. Denn der Wind in Japan kommt immer mehr aus Nordost. "Tokio könnte etwas abkriegen", sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach. Man rechne damit, dass Partikel bis Mittwoch die Millionenmetropole erreichen. Weil es trocken bleiben soll, gehen die Experten aber davon aus, dass kein radioaktiver Niederschlag fällt. Bislang trug der Wind die Strahlenbelastung hauptsächlich auf den offenen Pazifik hinaus.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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