Japan:Mann kommt nach mehr als 40 Jahren im Todestrakt plötzlich frei

Death row inmate Iwao Hakamada is released from Tokyo Detention House in Tokyo

Iwao Hakamada verlässt am Donnerstag das Gefängnis in Tokio.

(Foto: REUTERS)

Mehr als 40 Jahre hat ein mutmaßlicher Mörder im Todestrakt eines japanischen Gefängnisses auf seine Hinrichtung gewartet. Jetzt kommt er plötzlich frei. DNA-Tests lassen vermuten, dass der Mann unschuldig ist.

Er saß so lange in der Todeszelle wie kaum ein anderer Häftling zuvor: Mehr als 40 Jahre lang hat der Japaner Iwao Hakamada auf seine Hinrichtung gewartet. Doch am Donnerstag beschloss ein Gericht im zentraljapanischen Shizuoka, den Fall neu aufzurollen. DNA-Tests lassen vermuten, dass Hakamada unschuldig ist. Der zuständige Richter setzte die Todesstrafe aus. Obwohl die Staatsanwaltschaft Einspruch einlegte, durfte der Häftling das Gefängnis in Tokio am Donnerstag verlassen.

Der heute 78 Jahre alte Mann war 1968 wegen der Ermordung einer vierköpfigen Familie zum Tode am Galgen verurteilt worden. Dem damaligen Mitarbeiter einer Sojafabrik wurden Mord, Raub und Brandstiftung vorgeworfen, nachdem 1966 im abgebrannten Haus seines Chefs vier Leichen - die des Chefs, seiner Frau und zweier Kinder - mit Stichwunden gefunden worden waren.

Mittlerweile vermutet das zuständige Bezirksgericht in Shizuoka, dass die Ermittler bei dem ersten Prozess zentrale Beweise gefälscht haben könnten. Einer der drei Richter, die an dem Urteil von 1968 beteiligt gewesen waren, gab bereits im Jahr 2007 bekannt, dass er nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt gewesen sei, aber von den anderen beiden Richtern überstimmt worden war. Wie die englichsprachige Nachrichtenseite The Japan Times berichtete, erklärte er öffentlich, dass er die Urteilssprechung sehr bereue. Sein Antrag, Hakamda im Gefängnis besuchen zu dürfen, wurde damals vom zuständigen Gericht abgelehnt.

Mangelhafte Beweislage

Das zentrale Beweisstück - blutbefleckte Kleidung des vermeintlichen Mörders - wurde nämlich erst ein Jahr nach der Tat präsentiert. Hakamadas Unterstützer argumentierten, dass die Kleidung zu klein für ihn sei und die Blutflecken darauf verdächtig frisch erschienen. Spätere DNA-Analysen ergaben keine Verbindung zwischen Hakamada und der Kleidung. Diese DNA-Ergebnisse erkannte das Gericht nun an.

Hakamada hatte zunächst bestritten, für die Morde verantwortlich zu sein. Nach einem langen Polizeiverhör legte er jedoch ein Geständnis ab, welches er zum Prozessauftakt widerrief. Die Beamten hätten ihn geschlagen und bedroht und ihn zu dem Geständnis gezwungen, sagte Hakamda. Dennoch wurde das Todesurteil 1980 vom Obersten Gerichtshof bestätigt.

"Die japanischen Behörden sollten sich für die barbarische Behandlung, die Hakamada erhielt, schämen", sagte Roseann Rife von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Auf ihrer Website hatte Amnesty International im April vergangenen Jahres dazu aufgerufen, dem japanischen Justizminister zu schreiben und um die Freilassung Hakamdas zu bitten.

Ein Leben in ständiger Todesangst

Es ist erst das sechste Mal in der Nachkriegsgeschichte Japans, dass ein Gericht der Wiederaufnahme des Falls eines Häftlings zugestimmt hat, dessen Todesstrafe bereits rechtskräftig verhängt wurde. In vier der fünf vorherigen Fälle waren die Verurteilten freigesprochen worden.

Japan gehört zu den Staaten, in denen die Todesstrafe noch verhängt und vollstreckt wird, 2013 in acht Fällen. Wie die meisten zum Tode verurteilten Häftlinge lebte Hakamada die meiste Zeit in Einzelhaft und in permanenter Angst, dass es jeden Tag soweit sein könnte. Denn der Zeitpunkt der Hinrichtung wird den Todeskandidaten in Japan nicht mitgeteilt. Erst wenige Minuten vor ihrer Hinrichtung wird den Gefangenen gesagt, dass sie sterben werden. Die Angehörigen erfahren von den Hinrichtungen erst im Nachhinein. Der mentale Zustand des inzwischen 78-jährigen Hakamada soll sich als Folge der jahrzehntelangen Isolationshaft verschlechtert haben.

Hakamada und seine Verteidiger hatten 1981 erstmals beantragt, dass Verfahren neu aufzurollen. 2008 wurde dies vom Obersten Gerichtshof abgewiesen. Daraufhin stellte Hakamadas 81 Jahre alte Schwester Hideko, die immer an seine Unschuld geglaubt hatte, einen erneuten Antrag. "Ich bin wahrlich dankbar", sagte sie, bevor sie zum Gefängnis fuhr und ihren Bruder abholte.

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