Japan - die Folgen: Erdbeben und Tsunami:Kaum noch Überlebende

Erste Bilanz nach Erdbeben und Tsunami: 3373 Tote, 3000 Vermisste, eine halbe Million Menschen in Notunterkünften. Und inzwischen gefährden Hamsterkäufe die Versorgung der Flutgebiete mit Lebensmitteln.

Vier Tage nach der verheerenden Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Japan sind die Chancen auf die Rettung von Überlebenden gesunken. Zwar gelang es Rettungskräften noch am Dienstag, zwei verschüttete Menschen zu bergen. Wie der Fernsehsender NHK am Dienstag berichtete, wurde in der Stadt Otsuchi in der Präfektur Iwate eine 70Jahre alte Frau lebend aus den Trümmern ihres Hauses geborgen. Sie litt unter Unterkühlung und wurde in ein Krankenhaus gebracht.

Tsunami in Japan

Tsunami in Japan: Kaum noch Hoffnung auf Überlebende

(Foto: dpa)

In der Stadt Ishimaki in der besonders betroffenen Präfektur Miyagi an der Nordostküste Japans wurde ein Mann aus den Trümmern gerettet. Jedoch sank die Chance auf die Rettung weiterer Vermisster. Inzwischen brachten Helfer 550.000 Menschen in 2600 Notunterkünften in insgesamt sechs Präfekturen unter.

Laut Polizei ist die offizielle Opferzahl auf 3373 angestiegen. Die meisten Menschen seien in der Präfektur Miyagi gestorben. Noch immer gibt es mehr als 6700 Vermisste. Viele werden unter den Trümmern vermutet, die von einer Flutwelle bis weit ins Landesinnere getragen wurden. Es wird befürchtet, dass dabei mehr als 10.000 Menschen starben.

Der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge verloren die Behörden den Kontakt zu 30.000 Menschen. Indessen entsandte das japanische Rote Kreuz 90 Not-Teams zur medizinischen Versorgung von 430.000 Menschen in entlegenen Gebieten.

Insbesondere in diesen Gegenden wächst die Sorge vor Engpässen bei der Lebensmittelversorgung. Die Lieferschwierigkeiten werden durch beschädigte und verstopfte Straßen, lahmgelegte Fabriken und Störungen im Bahnverkehr verstärkt. In vielen Supermärkten gibt es bereits keine Dosennahrung, Batterien, kein Brot und Mineralwasser mehr. Auch weit von den Katastrophengebieten entfernt gehen den Geschäften die Waren aus. "Es herrscht Hysterie", sagte ein Sprecher des Fertignudelherstellers Nissin Foods. "Die Menschen fühlen sich einfach sicherer, wenn sie Fertignudeln im Haus haben." Das Unternehmen bemüht sich derzeit, trotz der Erdbebenschäden in seinen Fabriken die Produktion zu erhöhen. Es spendete zudem eine Million Portionen für die Katastrophengebiete.

"Es herrscht Hysterie"

Trotz solcher Notmaßnahmen befürchten die Behörden, dass die Hamsterkäufe die Lebensmittellieferungen in die Krisengebiete an der Nordostküste beeinträchtigen könnten. Die zuständige Ministerin für Verbraucherschutz, Renho, forderte die Japaner auf, keine Waren zu kaufen, die sie nicht wirklich benötigten. Dafür griff die Regierung sogar auf die Internetplattform Facebook zurück: Japanische Nutzer des Internetdienstes finden nun oben auf ihrer Seite die Bitte der Regierung, nicht alle Läden im Großraum Tokio leerzukaufen. "Bitte handeln Sie ruhig und mit Geduld", heißt es.

Doch viele Menschen halten sich nicht an diese Aufforderung. "Ich decke mich mit Getränken, Reis, Snacks und Fleisch ein", sagte eine Hausfrau, während sie zwischen fast leeren Regalen in einem Supermarkt in Tokio Waren in ihren Korb füllte. Sogar im westlich gelegenen Hiroshima, das vom Erdbeben und dem Tsunami verschont blieb, gehen in den Geschäften die Batterien aus. Zur Linderung des Engpasses stiftete der japanische Elektronikkonzern Panasonic 500000 Batterien, 10000 Taschenlampen und umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro für die Menschen in den Katastrophengebieten. Zudem bemüht sich das Unternehmen, die Produktion in seiner Fabrik in Osaka zu steigern. Auch die Lieferungen aus den Fabriken in Thailand und Indonesien wurden erhöht.

Einzelhändler sagten, eine solche Panik hätten sie seit der Ölkrise in den siebziger Jahren nicht erlebt. "Wir arbeiten rund um die Uhr, um die Lieferungen an die Läden zu verbessern", sagte Anthony Rose, Vizepräsident der Supermarktkette Wal-Markt Asia, der auch die japanischen Seiyu-Märkte gehören. Ein Sprecher der Kette Daiei sagte, die Menschen wollten sich auf den Notfall vorbereiten. Daher komme es zu Engpässen bei allen Lebensmitteln mit langer Haltbarkeit. Im Supermarkt Family Mart westlich von Tokio waren am Dienstag viele Regale leergeräumt. Der Eigentümer erwartete zwar eine neue Lieferung, doch kündigte er an, er werde sowieso schließen müssen, wenn der Stromversorger wie angekündigt drei Stunden pro Tag den Strom abschalte. "Ich mache mir große, große Sorgen", sagte er.

Der Strommangel bereitet vielen Menschen Probleme. Bereits unmittelbar nach dem Erdbeben am Freitag hatten die Behörden elf Atomkraftwerke in Nordjapan abgeschaltet, die bisher den größten Teil der Stromversorgung Tokios übernommen hatten. Anschließend forderte die Regierung die Menschen dazu auf, so oft wie möglich das Licht auszuschalten. Am Dienstag drehte der Energiekonzern Tepco den Strom im Großraum Tokio am zweiten Tag in Folge teilweise ab. Die Maßnahme begann um sieben Uhr Ortszeit in Teilen der Präfekturen Tochigi, Gunma, Saitama and Kanagawa. Zudem verkehrten weniger Züge, um Strom zu sparen.

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