Japan:Achtung, Bär - bloß nicht wegrennen!

Kragenbaer

Kragenbären sind eher zierlich. Gefährlich sind sie trotzdem.

(Foto: picture alliance)

Eine Bärin hat in Japan offenbar vier Menschen getötet, weil sie die Bambussprossensammler als Fressfeinde empfand. Nun diskutiert das Land, wie man sich vor den Tieren rettet.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Autofahrer warnen, Bambussprossensammler wegschicken: Rund 50 Polizisten in Kazuno haben seit einigen Tagen eine neue Aufgabe. Sie sind die Bären-Wacht der nordjapanischen Gemeinde. Täglich durchkämmen sie die Bergwälder und machen Menschen auf die pelzige Gefahr aufmerksam. Dabei dürfte die größte Gefahrenquelle vor gut einer Woche erschossen worden sein: Jäger haben eine Kragenbärin erlegt, in deren Magen sie Haare und Körperteile einer älteren Frau gefunden haben. Die Frau war wohl nicht das einzige Opfer der Bärin, wie der zuständige Amtstierarzt vermutet. Ende Mai sind in der Berggegend vier ältere Leute von Bären getötet worden. Gut möglich, dass alle im Bauch der einen Bärin landeten.

Dennoch sei die Gefahr mit dem Tod des Tieres noch nicht vorüber, meinen die Offiziellen in Kazuno und lassen die Polizisten weiterhin die Bürger wegschicken. Bärenattacken finden in Japan immer wieder statt. Besonders im Frühsommer, wenn die Bärinnen mit ihren Jungen unterwegs sind, und im Spätherbst, wenn die Tiere sich für den Winter Fett anfressen. Auf der Hauptinsel Honshu, auf Hokkaido und Shikoku leben 10 000 bis 20 000 Bären. 80 bis 150 von ihnen greifen jedes Jahr Menschen an, die meist mit Verletzungen davonkommen. Es gibt aber auch Tote. Gefährdet sind vor allem Menschen, die im Wald Beeren, Sprossen, Pilze oder Waldgemüse sammeln, gelegentlich auch Wanderer und Bergläufer, in Japan eine beliebte Sportart. Die schlimmste Bärenattacke, von der die Japaner bis heute sprechen, war die von Sankebetsu im Dezember 1914. Damals tötete ein Braunbär in einer neu erbauten Pionier-Siedlung binnen fünf Tagen sieben Menschen. Die Bauarbeiten hatten ihn aus der Winterruhe aufgeschreckt.

Nach dem ersten Angriff gemerkt, dass ihr das Menschenfleisch schmeckt

Auch die nun erlegte Bärin hat offenbar gleich mehrere Menschen getötet. Neben den Überresten der einen Frau fand der Tierarzt Takeshi Komatsu im Magen des erlegten Tieres zwar vor allem Bambussprossen. Doch alle vier Opfer hatten im Wald solche Sprossen gesucht, die Bärin dürfte sie als Konkurrenten um die knappe Nahrung wahrgenommen haben, sagte Komatsu der Agentur Kyodo. Und wahrscheinlich habe sie nach dem ersten Angriff gemerkt, dass ihr das Menschenfleisch schmecke.

Wegen der Todesfälle galt die Kragenbärin als gemeingefährlich und wurde zum Abschuss freigegeben. Eigentlich vermeiden es die japanischen Behörden, Bären abschießen zu lassen. Wenn ein Bär zu frech wird und auf der Suche nach Essen in Dörfer vordringt, wird er eingefangen. Die Behörden transportieren ihn einige Hundert Kilometer weit und setzen ihn auf einem möglichst einsamen, unwegsamen Berg aus. Das schüchtere ihn ein.

Radfahrer und Wanderer führen Glöckchen mit

In die Wälder trauen sich auch ohne akute Bären-Warnungen nur wenige Japaner. Und die meisten, die dort wandern, Sport treiben oder Essbares sammeln, haben sich gegen die Raubtiere gewappnet. Radfahrer und Wanderer führen Glöckchen mit, die die Bären warnen und vertreiben sollen; oder sie singen und reden laut. Denn Bären reagieren am ehesten aggressiv, wenn sie überrascht werden.

Zu den Verhaltensregeln zählt auch: Bloß nicht wegrennen! Man hätte ohnehin keine Chance, Bären erreichen beim Sprint eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern pro Stunde. Deshalb sollte man einem Bären lieber möglichst viel Raum lassen und sich langsam in jene Richtung zurückziehen, aus der man gekommen ist. Es kursieren auch Regeln, wie man am besten gegen einen Bären kämpft. Aber die sind sehr uneinheitlich. Da ist es wahrscheinlich ratsamer, dem Rat mancher Experten zu folgen und sich auf den Boden zu legen und tot zu stellen, das Gesicht nach unten. Mit etwas Glück schnuppert der Bär dann nur und zieht weiter.

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