Japan: Angst vor dem Super-GAU:Japan hält Kernschmelze in Krisen-AKW für möglich

In Japan und der Welt wächst nach dem verheerenden Erdbeben die Angst vor einer atomaren Katastrophe: In der Nacht fielen auch im AKW Fukushima 2 die Kühlsysteme aus. In der Nähe des beschädigten Atommeilers Fukushima 1 ist bereits radioaktives Cäsium festgestellt worden sein. Die Atomsicherheitskommission warnte, es könne eine Kernschmelze in Gange sein.

Die Angst vor einer atomaren Katastrophe wächst: Nachdem die japanische Regierung in der Nacht für ein zweites Atomkraftwerk den atomaren Notstand ausgerufen hatte, ist in der Nähe des Atommeilers Fukushima 1 radioaktives Cäsium festgestellt worden. Nach Aussage eines Behördenvertreters könnte dies daraufhin deuten, dass es in dem Reaktor zu einer Kernschmelze komme oder bereits gekommen sei. Selbst wenn dies der Fall sei, gehe für die Menschen außerhalb eines Radius von zehn Kilometern keine Gefahr aus, erklärte der Sprecher. Die meisten der 51.000 Einwohner in besagtem Umkreis seien evakuiert worden.

Die Nachrichtenagentur Jiji meldete, die Brennstäbe seien kurz der Luft ausgesetzt gewesen, als der Pegel des Kühlwassers sank. Es werde nun Wasser in den Reaktor gepumpt. Ein Sprecher der Betreiberfirma Tokyo Electric Power (Tepco) sagte hingegen, es sei keine Kernschmelze im Gange. Es werde versucht, den Kühlwasserstand zu erhöhen, um die Temperatur im Reaktor wieder senken zu können.

Zuvor war die radioaktive Strahlung im AKW Fukushima 1 auf das tausendfache des normalen Werts gestiegen, meldete Kyodo. Nahe des Haupttores der Anlage sei eine achtmal so hohe Radioaktivität wie normalerweise gemessen worden. Auch im AKW Fukushima 2 fiel das Kühlsystem aus. Die Generatoren des Werks 1, die unter anderem das Kühlsystem mit Energie versorgen sollen, waren durch den Tsunami zerstört worden. Die Bewohner in einem Umkreis von zehn Kilometern um die Atommeiler Fukushima 1 und 2 wurden in Sicherheit gebracht.

Um Druck von dem Reaktor zu nehmen, sollte kontrolliert Dampf abgelassen werden, teilte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien mit. Dieser Dampf werde gefiltert, um die Radioaktivität nicht in die Umwelt entweichen zu lassen, hieß es unter Berufung auf japanische Angaben. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass dabei keine Radioaktivität freigesetzt werde.

Die Regierung in Tokio kam zu einer Krisensitzung zusammen und ordnete in weitem Umkreis der Atomkraftwerke Evakuierungen an, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen.

Zehntausende von Rettungskräften, darunter auch Soldaten, sind in den Katastrophengebieten unermüdlich im Einsatz. Am Morgen nach dem Beben der Stärke 8,9 und dem verheerenden Tsunami, der bis weit ins Land hinein Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mitgerissen hatte, wurde das Ausmaß der Schäden sichtbar. Tausende Häuser waren zerstört. Raffinerien brannten, noch immer stiegen dicke Rauchsäulen in den Himmel.

Bis Samstagmorgen konnten insgesamt 398 Tote geborgen werden, wie die Nachrichtenagentrur Kyodo unter Berufung auf die Polizei berichtete. In Krankenhäusern wurden Hunderte Verletzte behandelt. Mehr als 800 Menschen wurden noch vermisst. Etwa 210.000 Menschen verloren ihr Zuhause.

In weiten Teilen Japans bebte die Erde auch am Samstagmorgen immer wieder. Die Menschen im Großraum Tokio wurden von einer neuen schweren Erschütterung aufgeschreckt. Auch in der Provinz Nagano gab es starke Nachbeben. Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser.

Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) erschüttert. Das Zentrum der Erdstöße lag 24,4 Kilometer unter dem Meeresboden, 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai und knapp 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio. An der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshu fielen Gebäude wie Kartenhäuser zusammen, eine Wasserwand raste ins Landesinnere und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand. Auch ein Reisezug wurde an der Küste vermisst, berichtete die Agentur Kyodo. Wie viele Menschen in dem Zug waren, blieb zunächst unklar.

Im gesamten Pazifikraum wurden in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst. Auf Taiwan, den Philippinen, an der südamerikanischen Küste und an der US-Westküste blieb eine größere Flutwelle jedoch aus. In Ecuador waren vorsorglich mehr als 260.000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls Zehntausende Bewohner tief gelegener Küstenstriche in höheres Gelände gebracht. International wurde der japanischen Regierung Hilfe angeboten.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte langfristige Unterstützung beim Wiederaufbau der zerstörten Landstriche zu. "Japan soll wissen, dass Deutschland in dieser schwierigen Stunde an seiner Seite steht", sagte Merkel am Freitag in Brüssel. Deutsche Experten seien bereits unterwegs, um zu helfen.

Die USA schickten etwa 140 Katastrophenhelfer nach Japan, um die Such- und Rettungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Teams würden zudem 75 Tonnen Hilfsmaterial und Suchhunde mit in das Land bringen, teilte die US-Behörde für Internationale Entwicklung mit. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten bereits zur Unterstützung einen Flugzeugträger nach Japan entsandt.

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